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Sport: Angst vor dem Rechenschieber Heute klärt sich, wie viele Teams bei derWM 2006 spielen

Paris. Äußerlich sieht man Joseph Blatter die Unruhe nicht an.

Paris. Äußerlich sieht man Joseph Blatter die Unruhe nicht an. Doch sobald die Rede auf die Interessenskonflikte in den Herzen und Köpfen der 24 Mitglieder starken Fifa- Exekutive kommt, hebt sich die Stimmlage des Schweizers. Die Herren sollten sich bewusst sein, dass nicht jeder Kontinent sein eigenes Süppchen kochen könne, und der Modus der Fußball-Weltmeisterschaft dürfe auf gar keinen Fall angetastet werden. Denn nur ein transparentes Turnier gewähre dessen Fortbestand als Weltmarke, warnt der Präsident des Weltverbandes Fifa. Ob Blatter mit seinem Appell erfolgreich war, das wird sich heute in Paris zeigen. Wenn sich die Exekutive dafür ausspricht, dass der Weltmeistertitel auch in Zukunft unter 32 Mannschaften ausgespielt wird – oder schon bei der WM 2006 in Deutschland mit 36, wie es die Südamerikaner gerne hätten.

Schon eine Kampfabstimmung wäre für Blatter eine Katastrophe. Es würde bedeuten, dass der Präsident sein Parlament nicht im Griff hat. Doch man könnte ihn nicht nur für den eigenen Autoritätsverlust, sondern für die ganze unselige Entwicklung verantwortlich machen. Schließlich zählen die Südamerikaner zum treuesten Stamm von Blatters Anhängern. Der Fifa-Chef hat sie nur deshalb gegen sich aufgebracht, weil er im Vorfeld seiner Wiederwahl die Stimmen aus Ozeanien mit dem Versprechen eingesammelt hat, dem Kontinent einen festen WM- Platz zu reservieren. Bislang hat sich der Vertreter Ozeaniens meistens gegen einen Kandidaten aus Südamerika oder Asien qualifizieren müssen – und ist an dieser Hürde fast regelmäßig gescheitert.

Lässt sich dieses Weihnachtsgeschenk von 2002 zurücknehmen? Schon damals gab es starke Widerstände gegen Blatter. Die Wiederherstellung der alten WM-Ordnung scheint die letzte politische Manövriermasse zu sein, um den großen Konflikt zu verhindern. Ein Turnier mit 36 Teilnehmern bringt all jene Risiken zurück, die man als Lehren aus der Vergangenheit ausgeschaltet hat. Es kann in der Vorrunde geschummelt und gemauschelt werden. Um die sieben besten Gruppenzweiten, die aus den neun Vierergruppen ins Achtelfinale aufsteigen, festzustellen, bräuchte man den Rechenschieber; die Gefahr, dass zum ersten Mal bei einer WM eine Mannschaft durch Los ausscheidet, ist durchaus konkret.

Letzte Trends aus Paris: Die südamerikanischen Repräsentanten Julio Grondona (Argentinien), Ricardo Texeira (Brasilien) und Nicolas Leoz (Paraguay) bewegen sich weit reservierter als vor zwei Monaten durch das Hotel. „Die Chancen stehen 50:50“, sagt Wolfgang Niersbach, der Mediendirektor der Weltmeisterschaft 2006. Es sieht ganz so aus, als müssten Joseph Blatter und die Deutschen, die als Erste ein Turnier mit 36 Teams ausrichten müssten, noch bis heute Mittag Angst haben.

Martin Hägele

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