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Sport: Ankunft in der Moderne

Otto Rehhagel begeistert die Griechen noch immer

Es ist ein Jahr her, dass Otto Rehhagel wieder einmal das Opfer einer Modernitätsdebatte geworden ist. Damals wurde Griechenlands Titelgewinn bei der Europameisterschaft als das Resultat eines von Rehhagel verordneten altbackenen Fußballs gedeutet. In Wirklichkeit aber war der Trainer der griechischen Nationalmannschaft der Moderne wieder einen entscheidenden Schritt voraus. Die aktuelle Entwicklung in der Bundesliga hat Rehhagel nachträglich bestätigt.

Der deutsche Fußball hat in der vergangenen Saison nicht nur wegen Jürgen Klinsmann einen Modernitätsschub erlebt, auch in der Bundesliga waren neue Tendenzen zu beobachten, die unter der Rubrik Konzeptfußball zusammengefasst wurden. Ein neues Phänomen? Was Rehhagel die Griechen bei der EM hat spielen lassen, war Konzeptfußball in seiner reinsten Form: Das Spiel folgte einem vorher festgelegten Plan, nur dass dieses Konzept bei Rehhagel eher defensiv gedacht war. „Disziplin und Strategie“ hat der 66-Jährige als die Grundlage des Erfolgs benannt: „Wir sind nicht aus Zufall oder Glück Europameister geworden.“

Auch Rehhagels Lebenslauf spricht gegen die Zufallstheorie. Werder Bremen, in den Siebzigerjahren ewiger Abstiegskandidat, wurde unter Rehhagel in den Achtzigern zum großen Rivalen der Bayern. Den 1. FC Kaiserslautern führte Rehhagel von der Zweiten Liga auf direktem Weg zur Meisterschaft, und mit Griechenland gelang ihm im vorigen Sommer die größte Sensation im internationalen Fußball der letzten 50 Jahre. Vor Rehhagel hatten die Griechen bei großen Turnieren kein einziges Spiel gewonnen. In Portugal aber schalteten sie den Titelverteidiger Frankreich aus, besiegten sie den Favoriten Tschechien und gewannen sie gleich zweimal gegen den Gastgeber.

Seitdem Rehhagel Nationaltrainer in Griechenland ist, hat die Mannschaft von rund 50 Länderspielen nur fünf verloren; erst der Deutsche hat die Griechen für ihre Nationalmannschaft begeistert. In Griechenland verteilt sich die Zuneigung der Fans sonst eher auf die untereinander verfeindeten Vereine. Allerdings könnte Rehhagel nun zum Opfer der neuen Euphorie werden. Nach dem EM-Titel sind die Ansprüche gestiegen; der bisherige Normalfall, dass die Nationalmannschaft sich nicht für die WM qualifiziert, ist nur noch schwer zu akzeptieren.

Angesichts des drohenden Scheiterns in der WM-Qualifikation fordern griechische Medien nun „neue und frische Spieler“ für die Nationalmannschaft. Der Kader für den Konföderationen-Pokal aber besteht zu großen Teilen aus den EM-Helden des vergangenen Sommers. Von den 20 Feldspielern sind acht bereits 30 Jahre und älter. Modernität sieht anders aus. Aber bei Otto Rehhagel weiß man das ja nie so genau.

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