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ARD: "Die Ullrich-Verträge sind sittenwidrig"

Der frühere Intendant des WDR, Friedrich Nowottny, hat den umstrittenen ARD-Vertrag mit Jan Ullrich als "sittenwidrig" bezeichnet. Kritik übt Nowottny auch an Programmdirektor Struve, dessen Vertrag unlängst verlängert wurde.

Berlin - Friedrich Nowottny, Journalist und Intendant des Westdeutschen Rundfunks von 1985 bis 1995, zeigt sich im Interview mit dem Tagesspiegel irritiert über die jüngsten Affären in der ARD. "Es gibt immer mal Phasen in einer so großen Organisation wie der ARD, die nicht mit Gold bestäubt sind. Jetzt erleben wir offenbar so eine Phase." Zwar sei die ARD in guter Programm-Form, aber das Bild werde augenblicklich von zwei Personalentscheidungen getrübt, die nicht ganz unumstritten seien, "also die Herren Struve und Boßdorf".

Der Vertrag von Hagen Boßdorf als ARD-Sportkoordinator war in der vergangenen Woche ebenso verlängert worden wie der Vertrag von Günter Struve als ARD-Programmdirektor - trotz der jüngst bekannt gewordenen Exklusivverträgen der ARD mit dem Radstar Jan Ullrich. Zu diesen Verträgen sagte Nowottny: "Wenn irgend jemand zu meiner Zeit in der Konferenz so etwas vorgeschlagen hätte, dann hätte er noch in derselben Minute seine Papiere zusammensammeln können. Wenn Sie es noch deutlicher haben wollen: Ich halte diese Verträge für sittenwidrig. Und sittenwidrig bedeutet, wenn ich das Strafgesetzbuch richtig interpretiere: nicht erlaubt."

"Entschieden wird zunehmend außerhalb der Gremien"

Kritik übte Nowottny auch an den Entscheidungswegen in den ARD-Anstalten: "Offenbar haben sich Entscheidungsebenen grundsätzlich verschoben. Es wird nicht mehr über alles in den Gremien gesprochen, entschieden wird jetzt auch zunehmend außerhalb der Gremien. Die Verantwortlichen haben zu entscheiden, ob und wie das mit den Regeln der ARD in Übereinstimmung zu bringen ist."

Auf die Frage, ob die Glaubwürdigkeit der ARD nach den jüngsten Affären gelitten hat, sagte Nowottny: "Wenn gegen eine Schüssel aus Emaille ein Stein fliegt, dann bröckelt die Emaille. Etwas springt ab. Und es bleibt ein nicht zu reparierendes, weiter rostendes Loch."

Struve-Verlängerung stößt auf Unverständnis

Wenn es tatsächlich stimmen sollte, dass ARD-Programmdirektor Günter Struve die Exklusivverträge mit Jan Ullrich nicht gelesen hätte, dann "wäre das ein handfester Entlassungsgrund", so Nowottny weiter. Zu der Tatsache, dass der Vertrag mit Struve gerade verlängert wurde, sagte er: "Warum das so ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Es kann aber auf keinen Fall eine Folge seines Handelns in der Ullrich-Sache sein." Für Nowottny gilt in dieser Frage, aber auch in Affären wie der Schleichwerbung der Grundsatz: "Wenn jemand bewusst gegen Regeln verstoßen hat, die er vorher kannte, dann muss er gehen."

Trotzdem, so Nowottny zum Schluss: "Die ARD ist ein toller Verbund. Was da alles passiert, das kann einem schon den Atem rauben. 54 Radioprogramme, diverse Fernsehprogramme, wo gibts denn eine solche Vielfalt sonst noch in der Welt?" (Von Joachim Huber, Tsp)

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