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Sport: Auf Erkundungsfahrt

Nach fünf Wochen Pause bestreitet Jan Ullrich wieder Rennen – zur Vorbereitung auf die Tour de France

Jan Ullrich hat nur die Tour de France im Kopf und Frankreich sogar schon in den Beinen. Direkt vom Training auf den französischen Alpenpässen kehrt der deutsche Radstar nach mehr als fünf Wochen Wettkampfpause auf deutsche Rennstrecken zurück: Am Pfingstsamstag startet er beim Erfurter Eintages-Ereignis „Rund um die Hainleite“, am Pfingstmontag beginnt in Karlsruhe die Deutschland-Tour. „Ich melde mich zurück“, verkündet Ullrich auf seiner Homepage. Allerdings: „Nach so einer langen Rennpause sind keine Wunderdinge zu erwarten.“

Keine Wunder, aber ordentliche Form, eine gute Figur und das eine oder andere ansehnliche Ergebnis verlangen seine Fans und vor allem seine Kritiker schon, selbst wenn die Rundfahrt durch Deutschland nur der weiteren Vorbereitung auf die Tour de France dient. „Gut mitfahren und sich zeigen – das reicht“, sagt Walter Godefroot, der Chef des T-Mobile-Teams.

Sorgen wegen der fehlenden Rennen nach Ullrichs Aufgabe beim Klassiker „Flèche Wallone“ und des Rückstandes macht sich der Belgier nicht – sagt er wenigstens. „Jan konzentriert sich nur auf das eine Ziel – die Tour. Damit kann ich leben. Es ist seine Verantwortung. Da muss man auch Vertrauen zu ihm haben.“ Nun hatte auch Lance Armstrong im Vergleich zu den vergangenen Jahren ein sparsames Frühjahrsprogramm in Europa, hat aber immerhin mit vier Siegen aufhorchen lassen. Jan Ullrich nimmt es gelassen: „Ich schaue nicht auf Lance. Ich mache mein Ding.“

Schließlich hat der Tour-Sieger von 1997 und fünfmalige Tour-Zweite nach dem Verzicht auf die Klassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich und Henninger Turm nicht zu Hause in der Schweiz bei Freundin und Tochter auf der faulen Haut gelegen. Im Gegenteil. Erstmals hat der 30-Jährige intensiv auf Tour-Terrain trainiert, auf der Zeitfahrstrecke in Besançon und den Passagen der Alpen, fast eine Woche lang bis einschließlich vergangenen Mittwoch. Am Sonntag stand der Alpe-d’Huez-Test, das Bergzeitfahren, auf seinem Trainingsprogramm.

Gleich zweimal kletterte Ullrich die 13,8 Kilometer hinauf. Nicht mit letztem Einsatz, aber mit forschem Tritt. Zwar kennt er die 7,9-Prozent-Steigung mit den 21 Spitzkehren von den Tour-Etappen der vergangenen Jahre zur Genüge. Aber ohne die Zuschauermassen seien die Schwierigkeiten viel besser einzuschätzen, sagt er. Erst jetzt hat Jan Ullrich gespürt, wie schwer tatsächlich etwa die ersten vier Kilometer sind. Eine wichtige Erkenntnis für den einsamen Kampf gegen die Uhr.

„Die Fahrten in den französischen Alpen dienten dem Training und der Erkundung“, sagt Sportdirektor Mario Kummer. Mit dem Zustand seines Kapitäns ist er jedenfalls zufrieden: „Jan hat viel getan.“ Ullrichs persönlicher Berater und Begleiter Rudy Pevenage, der beim ganzen Trainingsblock im Mai dabei war, findet: „Jan sieht viel besser aus als noch vor einem Monat.“ Er habe kein übermäßiges Übergewicht mehr. Mit von der Alpenpartie waren die Team-Kameraden Alexander Winokurow, Cadel Evans, Matthias Kessler und Tobias Steinhauser.

Die 1100 Kilometer lange Deutschland-Tour mit einem Abstecher über den Arlberg-Pass nach Österreich beginnt mit einem Zeitfahren über 23,7 Kilometer. Da zumindest darf man Ullrich, den zweimaligen Weltmeister dieser Disziplin, zwar nicht gleich als Sieger, aber zumindest weit vorne erwarten. Trotz namhafter Ausländer wie Paolo Bettini, Oscar Freire und Peter van Petegem ist die sieben Tage dauernde Deutschland-Tour in erster Linie eine Tour der Deutschen. Das Prestigeduell T-Mobile gegen Gerolsteiner, die beide in Bestbesetzung antreten, sowie der CSC-Kapitän Jens Voigt könnten etwas von all der Aufmerksamkeit für Jan Ullrich auf sich lenken.

Hartmut Scherzer[Erfurt]

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