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Sport: Auf Krücken zum Rennrad

Trotz Kreuzbandrisses startet der Schweizer Franco Marvulli an der Seite von Bruno Risi beim Sechstagerennen

Berlin - Es hat bereits einen Plan B gegeben, aber letztlich musste Dieter Stein darauf nicht zurückgreifen. „Franco Marvulli hat mir telefonisch mitgeteilt, dass er bei uns starten würde“, sagt der Sportliche Leiter. Was war geschehen? Bei den Sixdays in Stuttgart hatte sich der Partner von Bruno Risi in der letzten Nacht einen Kreuzbandriss zugezogen und musste das Rennen aufgeben. Für die Veranstalter in Berlin war das eine schlimme Hiobsbotschaft, denn eines ihrer Favoritenpaare drohte damit zu platzen. „Mir war schon ganz schlecht, denn viele andere Fahrer, die mit Risi hätten fahren können, habe ich ja nicht mehr im Feld“, erzählt Stein. Doch plötzlich kam überraschend von Marvulli selbst die Entwarnung. Er könne auch mit einem Kreuzbandriss ab dem heutigen Donnerstag an den Start fahren. Mehrere Untersuchungen hätten ergeben, dass es an dem lädierten Knie keinen Knorpelschaden gäbe, die Seitenbänder und auch nicht der Meniskus in Mitleidenschaft gezogen wurden. „Mit einem fixierten Knie ist eine geradlinige Bewegung, wie sie beim Radfahren erfolgt, möglich“, erzählt Dieter Stein, der ehemalige Radsprinter und Sechstageheld aus Ostberliner Zeiten, und unterstreicht das sofort mit eigenen Erfahrungen. „Seit 1975 bereits bewege ich mich mit solch einem Knie, entscheidend ist eben, dass es fest bandagiert ist.“

So ist es durchaus möglich, dass Franco Marvulli ins Innere des Berliner Velodroms gehievt werden muss, weil er keine Treppen steigen kann, und schließlich auf Krücken den Weg zu seinem Rennrad zurücklegen wird. Bruno Risi, der in Stuttgart gemeinsam mit seinem Landsmann Alexander Aeschbach sowie dem Marvulli-Ersatz Guido Fulst im letzten Sprint den Sieg gegen Robert Bartko/Leif Lampater/Iljo Keisse (Potsdam/Schwaikheim/Belgien) nur knapp verpasste, bestätigte diese Variante: „Das Kreuzband ist für uns Radfahrer ja nicht so entscheidend wie für Fußballer.“ Es ist aber dennoch kaum zu glauben, dass der Schweizer mit dieser Behinderung zu einem hohen Niveau fähig ist, vielmehr ist zu erwarten, dass er am Ende des Sechstagerennens längst schon wieder die Heimreise angetreten hat. Erst recht mit Blick auf Olympia im August, wo Risi und Marvulli im Madison-Wettbewerb zu den Goldanwärtern zählen.

Aber es wäre nicht Bruno Risi, wenn er mit dieser kritischen Situation nicht fertig werden würde. Der Ausfall des größten Stars in Berlin wäre schmerzhaft gewesen, nicht nur für den Veranstalter, sondern auch für das gesamte Sechstagefeld. Der Schweizer ist der Zuchtmeister im Sechstagezirkus, der Chef auf der Bahn, der Sixdays-Patron, der sich um die Belange der Fahrer kümmert. Aber auch für die Einhaltung der Etikette und bei Missachtung derer für Sanktionen sorgt. Der 39-Jährige ist das Gesetz der Bahn. Er hat sich diese Rolle nicht ausgesucht – als bester Mann in diesem Geschäft hat er sie sich erfahren. Einer muss es ja machen. „Wenn jeder macht was er will, haben wir Chaos“, sagt Bruno Risi. „Wer Krawall haben will, der bekommt auch Krawall. Es muss Ordnung bestehen.“

Doch vor eineinhalb Jahren, Mitte 2006, ist die Welt des Bruno Risi in Unordnung geraten. Bis dahin ist er mit Kurt Betschart gefahren, seinem Schweizer Kumpel aus dem gleichen Dorf. Die ganze Karriere haben sie Seite an Seite verbracht, sind mit 37 Siegen bei 130 Rennen das erfolgreichste Gespann aller Zeiten bei Sixdays. Bis Betschart seine Karriere beendete. Danach fand er in Franco Marvulli einen ebenbürtigen Standardpartner. In Berlin stehen beide nun vor einer Aufgabe, die schwierig zu lösen ist.

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