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Düstere Aussichten? Handball-Bundestrainer Heiner Brand weiß selbst nicht, was seiner Mannschaft bei der WM in Schweden zuzutrauen ist. Foto: dpa

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Sport: Aufbruch ins Ungewisse

Die Handball-Nationalmannschaft weiß vor der WM nicht, wo sie steht

Die Unterschriften der Handballstars waren gefragt. Mehr als eine Stunde nach dem überzeugenden 28:23-Sieg im Testspiel gegen Schweden gaben Pascal Hens und seine Kollegen den vielen Fans in der Hamburger Arena noch fleißig Autogramme. Die Popularität der Nationalmannschaft ist ungebrochen, der Deutsche Handballbund (DHB) zehrt immer noch von diesem sagenhaften WM-Triumph zu Beginn des Jahres 2007, das als „Wintermärchen“ in die Geschichte des Handballs eingegangen ist. Auch das Blitzlichtgewitter beim gestrigen Medientag in Ahrensburg bei Hamburg dokumentierte das große Interesse: Mehr als 50 Journalisten kamen in das gediegene Hotel, wo Bundestrainer Heiner Brand seinen 19er-Kader in Abgeschiedenheit aufs nächste Großereignis vorbereitet.

Vor der Weltmeisterschaft in Schweden (13. bis 30. Januar) herrscht einerseits eine gewisse Unsicherheit. Der Absturz bei der EM im vergangenen Jahr, als das Team hinter dem Handballzwerg aus Österreich nur den enttäuschenden zehnten Platz belegte, hat Wirkung hinterlassen. Und nun warten in Kristianstad und Lund mit Titelverteidiger Frankreich, Spanien, Tunesien und Ägypten harte Gegner. Allein Bahrain, das bereits als Gruppenletzter abonniert ist, wird für die Deutschen keine Gefahr darstellen. „Das sind vier Endspiele für uns“, sagt Brand. Genauso sieht es auch Michael Kraus, der am Montag im Test gegen den WM-Gastgeber sieben Treffer erzielte und eine starke Frühform bewies: „Diese Vorrundengruppe ist wirklich der Hammer.“ Nur die ersten drei dieser Gruppe erreichen die Hauptrunde in Jönköping.

Psychologisch noch diffiziler macht das Turnier, dass in Schweden auch entscheidende Weichen in Richtung London 2012 gestellt werden. Nur der Weltmeister qualifiziert sich direkt für das olympische Handballturnier, weitere sechs Mannschaften werden im Frühjahr zu einem Qualifikationsturnier zugelassen. Trainer und Team haben zwar noch nicht über Ziele gesprochen. „Aber vor diesem Hintergrund muss Platz sieben das Minimalziel sein“, sagt Bundestrainer Brand.

„Wir haben auch darüber gesprochen. Jeder Spieler weiß das natürlich.“

Sollte Deutschland in der Vorrunde scheitern, droht ein düsteres Szenario wie 1996, als das Team die Weltmeisterschaft in Japan verpasste und Brand einen mühseligen Neuanfang bewältigen musste. Kurzfristig würde sich der DHB zwar ökonomisch schadlos halten, da er mit der Agentur Sportfive einen langfristigen Vermarktungsvertrag geschlossen hat. Aber langfristig wäre der Schaden enorm groß: Die große Reputation, die das Gummersbacher Traineridol in langen Jahren aufgebaut hat, wäre mit einem Schlag dahin.

Wie die Profis mit dieser Belastung umgehen, gehört zu den interessantesten Fragen. „Natürlich wird das im Hinterkopf eine Rolle spielen, und wir wissen, dass es sehr schwer wird. Aber das darf für uns keine Bürde sein“, sagt Torsten Jansen vom HSV Hamburg, mit 177 Einsätzen erfahrenster Nationalspieler. Kraus will über Olympia am liebsten gar nicht sprechen. „Uns ist bewusst, dass viel auf dem Spiel steht“, sagt er. „Aber wir müssen einfach sehen, dass wir disziplinierten Handball spielen, dann kommt das mit den Olympischen Spielen ganz alleine.“

Viel wird vom Auftaktspiel am 14. Januar gegen Ägypten abhängen, das unter dem ehrgeizigen deutschen Trainer Jörn- Uwe Lommel seit vier Monaten vorbereitet wird. „Wenn es gut läuft, ist viel möglich“, sagt Brand, „wenn es schlecht läuft, leider auch.“ Auch Routinier Jansen ist nicht gewillt, eine Medaille als Ziel auszugeben, bevor die Vorrunde abgeschlossen ist. „Es kann auch ein sehr kurzes Turnier für uns werden“, warnt der Linksaußen.

Andererseits hat Brand aktuell ein seltenes Luxusproblem: Er hat keine Personalprobleme. Anders als in den vergangenen Jahren muss er diesmal keine verletzten Leistungsträger ersetzen. Adrian Pfahl (Gummersbach) und Michael Kraus (HSV) kämpfen mit leichten Blessuren, die aber den Einsatz in Schweden nicht gefährden. Holger Glandorf (Lemgo) scheint rechtzeitig von seiner Knieverletzung genesen; der Linkshänder stieg gestern wieder ins Mannschaftstraining ein. Von der Verfassung Glandorfs hängt ab, welche beiden Spieler Brand noch aussortiert. Er werde wahrscheinlich mit 17 Profis nach Schweden reisen, verriet der Bundestrainer. Viel spricht dafür, dass Linksaußen Dominik Klein (Kiel) und Rückraumspieler Steffen Weinhold (Großwallstadt) zu Hause bleiben müssen.

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