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Sport: Aus dem Tief im Westen

In Düsseldorf arbeiten Sportpolitiker an der Leipziger Olympiabewerbung – die wichtigsten Fragen bleiben

Düsseldorf. „Gucken Sie mal, was ich hier habe“, sagt Walther Tröger und schiebt seine Hand in die Anzugtasche. Der Ehrenpräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) holt einen Sticker hervor, darauf steht: Spiele mit uns. Es ist der Olympia-Slogan von Leipzig – aus erfolgreichen Tagen. Wolfgang Tiefensee, Leipzigs Oberbürgermeister, dem viele Mitschuld geben am chaotischen Bild der Bewerbung um Olympia 2012, beugt sich zu Tröger. „Warum haben Sie das Ding nicht angesteckt?“, fragt Tiefensee. „Ich habe es immerhin bei mir“, verteidigt sich der Sportfunktionär. „Ja, immerhin“, sagt der Bürgermeister und wendet sich ab, „es gibt derzeit nicht viel, über das man sich freuen kann.“

Ortstermin in Düsseldorf. Die Spitzen der Sportpolitik treffen sich tief im Westen, um die Olympia-Bewerbung aus dem Osten zu retten. Am Samstag redeten Politiker und Funktionäre fünf Stunden lang, um einen Schlusspunkt hinter permanente Personalquerelen, fragwürdige Finanzpraktiken und schlechtes Krisenmanagement zu setzen. Auf der einen Seite des Tisches saßen die drei wichtigsten Aufsichtsratsmitglieder der Leipziger Bewerbungsgesellschaft – jene Männer, deren Konkurrenz zum Merkmal der Kampagne geworden ist: Wolfgang Tiefensee, NOK-Präsident Klaus Steinbach und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt. Ihnen gegenüber saß ein Mann, der das Leipziger Allerlei satt hat: Bundesinnenminister Otto Schily. Er wollte durchgreifen – das Ergebnis war entsprechend. Tiefensees Kandidat für die Geschäftsführung, Dirk Thärichen, wurde fristlos entlassen. Schily begründete das mit „Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung“. Tiefensee sagte: „Herr Thärichen hat mich persönlich tief enttäuscht.“

In kleiner Runde waren zunächst Thärichens Olympiageschäfte das Thema. Dabei stellte sich laut Milbradt heraus, dass es für Geschäfte der Leipziger Gesellschaft mit der Beratungsfirma Pentacom „keinen schriftlichen Vertrag, wohl aber Rechte gibt“. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern habe Thärichen der Firma Geld zahlen wollen. Weil aber der zweite Geschäftsführer, Mike de Vries, entsprechende Verträge nicht habe gegenzeichnen wollen, sei das Geld über die alte Olympiagesellschaft abgewickelt worden, die für Leipzigs nationale Bewerbung zuständig war. Dort war nur Thärichen zeichnungsberechtigt. Auf Fragen dazu antwortete Tiefensee: „Ich kenne den Namen der Firma Pentacom nicht – nur aus der Zeitung.“ Angesichts der Vorwürfe gegen Thärichen, der sich zudem 1989 bei einem Stasi-Wachregiment verpflichtet und seinen Lebenslauf geschönt hatte, bewertete Schily dessen Berufung als „personelle Fehlentscheidung“.

Ein neuer Geschäftsführer wurde indes nicht bestellt. Stattdessen sollen zwei Männer Fehler analysieren und Vorschläge für eine neue Führung machen: Thomas Middelhoff, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann AG, und Bernd Rauch, Vizepräsident der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Die Analyse soll bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 19. November vorliegen. „Wir haben leider sinnlos Zeit verbraucht, die wir aufholen müssen“, sagte Steinbach.

Dieter Graf Landsberg-Velen, einer der erfahrensten NOK-Funktionäre, hatte am Freitag vor der Sitzung gesagt: „So langsam stellt sich bei mir die Sinnfrage.“ Er hatte viele Gespräche geführt, um einen vorzeigbaren Kandidaten zu gewinnen. Alle Beteiligten hatten seinem Vorschlag, Schwimm-Olympiasieger Michael Groß zu nominieren, schon informell zugestimmt. Doch dann wurde die Personalie zwischen NOK, Leipzig und Sachsen zerrieben.

Eine schlimme Woche für Leipzig ist vorbei. „Das härtet uns ab“, glaubt Mike de Vries, der zurzeit alleine die Geschäfte führt. Auch die Debatte um seine Zukunft ist nicht verstummt – auch wenn dem Marketingmann mit dem neuen Logo die Sponsorensuche nun leichter fallen dürfte. Viele Fragen bleiben: Wurde während der nationalen Bewerbungsphase in Leipzig Geld veruntreut? Nimmt Wolfgang Tiefensee, der vor den Vorgängen lange die Augen verschloss, politischen Schaden? Ist die Bewerbung noch zu retten? Wenn Walther Tröger diese Fragen hört, dann greift seine Hand wieder in die Anzugtasche zum Leipziger Sticker – so, als wolle er sich an einst erfolgreichen Zeiten erwärmen.

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