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Neuer Star unter der Raute. Thorsten Fink, seit Montag Trainer des HSV. Foto: Reuters

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Sport: Aus Prinzip angriffslustig

Der neue HSV-Trainer Thorsten Fink hat jeden Tag 100 Ideen, von denen er in Basel die richtigen umsetzte

Als Thorsten Fink sich in Richtung Hamburger SV verabschiedete, flossen Tränen in der Kabine des FC Basel. Die besten zweieinhalb Jahre seiner Karriere habe er unter Fink erlebt, sagte Kapitän Marco Streller. Und der designierte Klubchef Bernhard Heusler bilanzierte: „Wir sind Opfer unseres eigenen Erfolges geworden.“

Am Anfang hatte niemand daran geglaubt, dass sich Basel unter Fink zum erfolgreichsten Fußballklub der Schweiz entwickeln würde. Wie jetzt beim HSV bestimmte die Angst die Trainersuche.

Es war im Sommer 2009, als der FC Basel einen Nachfolger für Christian Gross suchte – jenen Trainer, der den Verein zehn Jahre lang geprägt hatte. Drei Kandidaten standen in der letzten Bewerbungsrunde. Die Basler Granden saßen also beisammen und vergaben unabhängig voneinander Punkte. Als sie zusammenzählten, stand bei allen ein Name ganz oben: Thorsten Fink, damals 40 Jahre alt und ausgestattet mit dem nicht eben respektheischenden Leistungsausweis einer Entlassung beim Zweitligisten Ingolstadt. Kurz geriet die Runde ins Wanken. Sollte wirklich der unbekannteste aller Kandidaten die Stelle beim Schweizer Branchenführer übernehmen?

Mit zwei Meistertiteln, einem Cuperfolg und zwei Teilnahmen an der Champions League hat Fink den Beweis erbracht, ein Guter und Beständiger seines Fachs zu sein. In Hamburg stellte er sich gestern als neuer Trainer der Zukunft vor (siehe Kasten rechts).

In Basel präsentierte sich der frühere Bayern-Spieler als klar definierter Trainertypus: Jung, erfolgshungrig, ein Förderer von Talenten aus dem eigenen Nachwuchs. Er arbeitete auf dem Feld mit flachen Pässen und daneben mit ebenso flachen Hierarchien: offen, mutig und nahe an den Spielern.

Fink gab Basel alles, was es wollte. Dabei war sein Einstieg noch schwierig. Zwar waren die Profis schnell eingenommen von diesem Trainer und seinen Ideen von einem auf Ballbesitz basierenden Fußball. Nur umsetzen konnten sie dies noch nicht. Als das Team 13 Punkte hinter der Spitze lag, zeigte der sonst so jovial auftretende Fink, dass er auch anders kann. „Wenn Sie Fußball gespielt hätten, wüssten Sie das!“, knurrte er den Schweizer TV-Moderator Rainer-Maria Salzgeber nach einer kritischen Frage an. Und als der zurückgab, das habe er, „nur nicht auf demselben Niveau wie Sie“, da setzte Fink nach: „Hab’ ich mir schon gedacht!“ Am Ende der Saison war Basel trotzdem Meister. Weil die Spieler Finks System verinnerlicht hatten. Und auch, weil der Trainer bewies, dass er lernfähig ist.

Thorsten Fink ist sicher nicht von Selbstzweifeln geplagt. Aber er kann zuhören, versteht sich stets als Teil eines Teams aus Sportchef, Kotrainern und Scouts. Also wechselte er während der Saison vom System mit klassischem Spielmacher auf ein 4-4-2, bei dem die Flügelspieler im Mittelfeld in die Mitte ziehen, um den Außenverteidigern den Weg nach vorne freizumachen. Dieses offensive System passt nicht nur zum dominierenden Anspruch des FC Basel in der Schweiz. Fink bleibt seinen Ideen auch treu, wenn es in der Champions League gegen Manchester United geht. Als Basel vor ein paar Wochen in Old Trafford zur Pause 0:2 zurücklag, trieb Fink seine Spieler weiter nach vorne. Am Ende hieß es 3:3 im wohl besten Auswärtsspiel einer Schweizer Mannschaft im Europacup.

Vielleicht war es der letzte Anstoß für den HSV, Finks Verpflichtung mit Macht voranzutreiben. Die Hamburger bekommen einen Fußballverrückten, der nach Auskunft des Basler Sportchefs Georg Heitz „am Tag 100 Ideen hat“, von denen dann vielleicht eine umgesetzt wird.

In Basel war es fast immer die richtige.

Florian Raz[Basel]

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