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Immer volle Pulle. Lisickis Bälle landen spektakulär im Feld – oder im Aus.Foto: AFP

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Australian Open: Lisicki gesucht den Mittelweg

Sabine Lisicki scheitert in Australien unglücklich an ehemaliger Nummer eins.

Melbourne - Das Match war erst ein paar Minuten vorbei, da stürmte Caroline Wozniacki mit ihrer Entourage in die überfüllte Player’s Lounge des Melbourne Parks. Sie verzogen sich zwar in eine Ecke des Raumes, doch den Streit konnte niemand überhören. Alle drehten die Köpfe, als Piotr Wozniacki seine Tochter plötzlich anbrüllte. Nichts habe sie eben auf dem Platz richtig gemacht, schrie er wütend, absolut nichts. Sie sei eine Versagerin. Man hätte meinen können, die Dänin mit den polnischen Wurzeln habe gerade in der ersten Runde der Australian Open verloren. Doch sie hatte mit 2:6, 6:3 und 6:3 gegen Sabine Lisicki gewonnen. Wozniackis Vater aber, der auch ihr Trainer ist, schimpfte sie aus wie ein dummes Schulmädchen, führte sie vor allen Leuten vor. Die Situation eskalierte fast, als Caroline Wozniacki sich genauso lautstark wehrte. Nach ein paar Minuten war der Donner in der Player’s Lounge verhallt, dann schickte er seine Tochter zum Straftraining. „Ich hatte einiges, an dem ich arbeiten musste“, sagte sie später knapp.

Diese Erstrundenpartie hatte es in sich gehabt, in jeder Hinsicht. Für Wozniacki und Lisicki war es gleichermaßen die heikelste Auslosung, die ihnen passieren konnte. Auf der einen Seite stand Wozniacki, die vor einem Jahr noch als Nummer eins der Welt nach Melbourne anreiste, inzwischen auf Rang zehn abgerutscht ist und diesen Platz durch ein frühes Aus auch noch einbüßen würde. Auf der anderen Seite Lisicki, die nach einer verletzungsreichen Saison als Nummer 36 geführt und damit ungesetzt ist. Sie stand mächtig unter Druck, die Punkte des Achtelfinaleinzugs vom Vorjahr zu verteidigen. Denn die 23-Jährige will ja wieder nach oben, am liebsten ganz nach oben. Und so spielte sie auch. Zunächst.

„Ich habe das Spiel mehr verloren, als sie es gewonnen hat“, sagte Lisicki nach dem Match. Die Berlinerin diktierte die Ballwechsel, im Guten wie im Schlechten. 57 leichte Fehler produzierte die Berlinerin, aber auch 45 Winner. Lisicki spielte volle Pulle, immer alles oder nichts. Am Anfang landeten Lisickis Bälle noch mitunter spektakulär im Feld, dann aber immer seltener. Das Match drohte zu kippen. Plötzlich ging Wozniacki im zweiten Satz mit 4:0 in Führung. Doch Lisicki fing sich wieder, preschte im dritten Durchgang mit 3:0 vor. Aber dann ging endgültig nichts mehr bei Lisicki. Sie spielte die Bälle nicht mehr knapp ins Aus, sondern meterweit. „Mein Selbstvertrauen war auf einmal weg“, sagte sie. Lisicki hat keinen Plan B parat, wenn es mit der Brechstange nicht mehr läuft. Tempo rauszunehmen macht sie zu defensiv, sie kann nur Vollgas. „Ich muss vielleicht mal nach dem Mittelweg in Zukunft suchen“, meinte sie. Dann könnte sie wohl auch die Konstanz einer Wozniacki erreichen.

Lisicki, kaum ein Jahr älter, und Wozniacki kennen sich seit ihrer Jugend. Beiden bescheinigte man damals großes Talent. Doch Wozniacki startete früher durch, wurde bereits vor zwei Jahren die Nummer eins der Welt. Da will Lisicki auch hin, weiter als Rang zwölf reichte es aber noch nicht. Bisher warfen sie Verletzungen immer wieder zurück, oft wirkte Lisicki nicht austrainiert. Das ist seit diesem Winter anders, sie arbeitete in Berlin und Kerpen an ihrer Fitness und nahm ein paar Kilo ab. „Ich fühle mich fit“, sagte sie, „ich kann jetzt stundenlang laufen.“ Und sie wird den langen Atem wohl brauchen, für den Weg nach ganz oben.Petra Philippsen

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