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Sport: Auswärtstor im eigenen Stadion

Der Einzug des AC Mailand ins Champions-League-Finale ist ein Sieg des italienischen Pragmatismus

Mailand. Sie feierten ausgelassen, und obwohl es dem Anlass angemessen war, wirkte es nach diesem Spiel doch ein wenig kurios. Wieder war es für die Startruppe des AC Mailand nur ein biederes Unentschieden gewesen gegen den Ortsrivalen Inter. Aber das 1:1 reichte, weil dieses zweite Halbfinale offiziell als Auswärtsspiel für den AC gewertet wurde. Und weil Milan sein Tor im eigenen Stadion auswärts erzielt hat, Inter seines jedoch zu Hause, zog der AC zum ersten Mal nach 1995 wieder ins Finale der Champions League ein.

Für den ukrainischen Superstar Andrej Schewtschenko, den Schützen des goldenen Tores, der sich an einem Wendepunkt seiner Karriere befindet und abzustürzen drohte, war es wie eine Befreiung. „Es war das wichtigste Tor meiner Fußballkarriere“, sagte Schewtschenko über seinen Treffer zum 1:0 in der Nachspielzeit der ersten Hälfte. Das Tor widmete Schewtschenko dem im Frühjahr verstorbenen ukrainischen Trainer Waleri Lobanowski.

Die Tifosi störte es wenig, dass die Mailänder nach zwei eher unrühmlichen Spielen das Endspiel in Manchester erreicht haben. Sie jubelten wie in alten Tagen, als Milan unter der Führung von Arrigo Sacchi die Konkurrenz niederspielte. Und auch die Presse feierte den Erfolg zum Teil euphorischer als angemessen. „Milan fliegt ins Finale“, jubelte der Mailänder „Corriere della Sera“.

Der gemeine italienische Fan denkt ohnehin eher praktisch und pragmatisch: Was zählt, ist bekanntlich das Resultat. Auch der Präsident des AC Mailand, Silvio Berlusconi, ließ sich bei der Kommentierung des Spiels von diesem Motto leiten. „Unter meiner Führung hat Milan sechsmal das Finale der Champions League erreicht“, sagte Berlusconi, „das ist die Luft, die wir gerne atmen.“ Mannschaft und Führungsriege des Lokalrivalen Inter Mailand stehen unterdessen wieder vor den Trümmern der eigenen Ambitionen. Inters Präsident Massimo Moratti hatte das Erreichen des Finales zur Bedingung für ein weiteres Engagement des argentinischen Trainers Hector Cuper gemacht. Der AC-Trainer Carlo Ancelotti ahnte schon, was seinem Gegenüber nun bevorstehen wird. „Cuper werden sie jetzt auf dem Grill braten“, sagte er.

„Wir haben unsere Chance gehabt und nicht genutzt“, sagte Cuper, der mit seinem unansehnlichen Defensivfußball endgültig am Ende ist. „Mein Schicksal liegt nicht mehr in meiner Hand.“ Sie liegt in der Hand des Öl-Magnaten Moratti, der in den vergangenen acht Jahren rund eine halbe Milliarde Euro in die Mannschaft gepumpt hat.

Die Inter-Fans bekundeten nach dem Spiel offen ihre Kritik an Cuper. Sein Fehler war, dass er den jungen afrikanischen Stürmer Martins, der nach seiner Einwechselung das 1:1 erzielte, viel zu spät brachte. Als Nachfolger von Cuper ist der derzeitige Trainer von Lazio Rom, Roberto Mancini, im Gespräch. Zwischen dem Inter-Präsidenten und dem smarten Trainerkandidaten hat es bereits entsprechende Kontakte gegeben.

Vincenzo delle Donne

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