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Ehemalige Partner in der Nationalmannschaft: Nach dem von Löw verkündeten Abschied aus der Nationalelf greift Ballack den Bundestrainer scharf an.

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Karriereende bei Fußball-Nationalmannschaft: Ballack greift Löw an: „Scheinheiligkeit“

Die Möglichkeit eines Abschiedsspiels gilt beim DFB als Privileg. Michael Ballack lehnt diese Möglichkeit ab. Ein stilvoller Abschied von Michael Ballack scheint derzeit unrealistisch.

Michael Ballack hat nach seinem durch Joachim Löw verkündeten Abschied aus der Fußball-Nationalmannschaft den Bundestrainer scharf angegriffen. Er habe am Donnerstag im Urlaub von der Pressemitteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erfahren und sei über „Form und Inhalt der Nachricht“ enttäuscht und überrascht. „Wenn jetzt so getan wird, als sei man mit mir und meiner Rolle als Kapitän der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft jederzeit offen und ehrlich umgegangen, ist das an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten“, heißt es in einer Erklärung, die am Freitag im Auftrag von Ballacks Berater Michael Becker von einer Hamburger Kanzlei verbreitet wurde.

Wenn man ein Abschiedsspiel nicht direkt wahrnimmt, kann es schon mal passieren, dass man 33 Jahre darauf warten muss. So geschehen bei Franz Beckenbauer, der als Aktiver 1977 nach New York gewechselt war. Sein Abschiedsspiel in München fand erst im Herbst letzten Jahres statt.

Gut möglich, dass es auch 2011 nicht zu einem Abschiedsspiel kommt. Der DFB hat seinem langjährigen Kapitän Michael Ballack angeboten, die Nationalmannschaft beim Testspiel gegen Brasilien am 10. August letztmals als Kapitän aufs Feld zu führen. Ballack, so melden einige Medien, soll dies ablehnen. Er selber hat sich öffentlich noch nicht dazu geäußert. Es wäre sein 99. Länderspiel – ein „Gnadenbrot des DFB“ spotten Kritiker.

Die Möglichkeit eines Abschiedsspiels gilt beim DFB als Privileg. Den Weltmeistern Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann blieb es verwehrt. Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun blieb trotz aller Forderungen von Spielerkollegen bei seinem Grundsatz: „Wir müssen auf die Gleichbehandlung aller Nationalspieler achten.“ Eine Ausnahme machte der DFB nur bei Oliver Kahns Verabschiedung 2008, als die Nationalmannschaft gegen den FC Bayern spielte.

Der DFB und Bundestrainer Joachim Löw versteht ein solches Spiel nun als ein Zeichen an Ballack. Löw ließ ausrichten: „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir ihm ein ehrliches Dankeschön für seine Verdienste sagen.“ Der Bundestrainer wurde zuletzt kritisiert für die Umstände der Trennung von Ballack, der seit seiner Verletzung im Mai 2010 in der Nationalelf keine Rolle mehr gespielt hatte.

Die Gräben zwischen Löw und Ballack wurden jedoch nicht nur im vergangenen Jahr, sondern schon 2008 deutlich. Der Bundestrainer hatte sich damals zum einen im Streit zwischen Ballack und Teammanager Oliver Bierhoff demonstrativ auf Bierhoffs Seite gestellt, zum anderen betont, dass sich auch die arrivierten Kräfte dem Konkurrenzkampf stellen müssten. Ballack fasste es als Affront auf und gab ein viel zitiertes Interview in der „FAZ“. Seine Aussagen von damals zum Umgang mit Torsten Frings lesen sich heute wie eine Vorahnung. „Wenn man einen nicht mehr will, sollte man das ehrlich ansprechen. Respekt und Loyalität ist doch das Wenigste, was man als verdienter Nationalspieler erwarten kann.“

Ungewohnt harsch fiel die Reaktion von Löw aus: „Es hat kein Spieler, auch nicht der Kapitän, das Recht, öffentlich Stimmung gegen das Trainerteam zu machen. Ich lasse mir das nicht gefallen.“ Es kam zu einer Aussprache mit Löw und Ballack, alle Scherben konnten dort aber offenbar nicht beseitigt werden.

Ballacks heftige und vor allem öffentliche Parteinahme für Frings lässt erahnen, wie er seine eigene, schleichende Ausbootung aufgefasst haben muss. Das „abschließende Gespräch“, das Löw vor wenigen Wochen angekündigt hatte, fand wohl nicht statt. Ballacks Berater Michael Becker sagt: „Sie können davon ausgehen, dass Michael Ballack nicht in Urlaub gefahren wäre, wenn ein zeitnahes Gespräch geplant wäre.“ Wohl nur eine Seite hatte auf eine Entscheidung gedrängt. Als die Reaktion darauf ausblieb, kam die Veröffentlichung des Abschieds – vor Ballacks Trainingsstart am Wochenende in Leverkusen.

Ein stilvolles Ende mit dem Abschiedsspiel gegen Brasilien scheint derzeit unrealistisch. Auch wenn Franz Beckenbauer rät: „Ich kann Michael nur empfehlen, das Angebot anzunehmen.“ Beckenbauer weiß, wovon er spricht. (mit dpa)

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