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Aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen. Bei Sven Schultze und den anderen Basketballern von Alba Berlin folgen in dieser Saison auf unerklärliche Tiefs oft grandiose Höhen, manchmal sogar in einem Spiel. So richtig erklären kann das niemand.

© Contrastphoto

Basketball: Alba Berlin: Ständig unbeständig

Es grenzt an eine emotionalen Loopingfahrt: Alba Berlin treibt Trainer und Fans mit Aufs und Abs in den Wahnsinn – und kann trotzdem noch Meister werden.

Berlin - Basketball-Mannschaften, die um große Titel spielen, zeichnen sich durch Stabilität aus. Durch die Fähigkeit, Fehler und Unkonzentriertheiten nahezu vollkommen abzustellen. Ballbesitz für Ballbesitz, Verteidigungssequenz für Verteidigungssequenz, Play-off-Spiel für Play-off-Spiel: Aussetzer und Schwächephasen darf es nicht geben, wenn am Ende ein Pokal stehen soll. Wer ständig unbeständig spielt, hat keine Chance auf Titel. „Wir schon“, glaubt Alba Berlins Geschäftsführer Marco Baldi. Eine schlüssige Erklärung dafür, warum die Berliner trotz ihrer bizarren Auf und Abs in dieser Saison immer noch im Rennen um die deutsche Basketball-Meisterschaft sind, hat aber auch Baldi nicht: „Weil die irre sind – was soll ich sagen?“

Am Mittwochabend, beim dramatischen 80:71-Sieg im zweiten Spiel der Finalserie gegen Bamberg, hatten die Berliner wieder einmal ihr ganzes Repertoire gezeigt. Das Spiel begann mit teilweise grotesken Stümpereien: Immanuel McElroy passte Bryce Taylor an, obwohl der sich längst wieder umgedreht hatte, Yassin Idbihi vergab mehrere Korbleger, der 2,13 Meter große Miroslav Raduljica scheiterte beim Dunkingversuch. Doch schon kurz darauf glänzte Alba mit großer Treffsicherheit und konzentrierter Verteidigung. Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass auf ein miserables Viertel drei brillante folgten. Die Berliner haben allerdings auch schon starke Spiele gezeigt, in denen sie am Ende völlig einbrachen. „Bei uns ist das dieses Jahr ziemlich extrem ausgeprägt. Mir wäre es auch lieber, wenn wir das auf ein durchgängiges Niveau bringen könnten“, sagt Baldi. „Aber die Erfahrung mit dieser Mannschaft ist: Die spielen halt so, die Buben.“

Am Mittwoch trieben die Berliner Spieler nicht nur ihren Trainer Muli Katzurin beinahe in den Wahnsinn und zu hektischen Auswechslungen, auch das oft reservierte Publikum in der Arena am Ostbahnhof wurde von der emotionalen Loopingfahrt mitgerissen. „Wir haben sehr schlecht angefangen“, gab Katzurin zu. „Warum, weiß ich auch nicht. Das ist nicht leicht zu verstehen.“ Genauso wenig ließ sich erklären, woher Alba abermals die Energie nahm, um ein umjubeltes Comeback zu starten. „Wir haben Charakter“, glaubt der Berliner Kapitän Patrick Femerling. „Wir sind keine Mannschaft, die nicht kämpft, auch wenn es schlecht läuft. Die Einstellung ist auf jeden Fall richtig.“ Ein Grund für die Einbrüche könnte der immer noch nachwirkende Trainerwechsel von Luka Pavicevic zu Katzurin sein: Der Serbe hatte seiner Mannschaft wenig Freiheiten gelassen, Katzurin lässt zumindest offensiv mehr Raum zum Improvisieren – was nicht immer gut geht.

In der „Best of five“-Serie steht es jetzt 1:1, am Samstag (20 Uhr, live bei Sport1) ist Alba im dritten Spiel wieder zu Gast in der ungastlichen Heimhalle der Bamberger. „Dann müssen wir 40 Minuten spielen – und nicht nur 30, sonst wird das nicht reichen“, sagt Katzurin. Power Forward Tadija Dragicevic sieht das ähnlich: „Wenn wir wieder 4:20 zurückliegen, haben wir auswärts keine Chance.“

Marco Baldi hatte am Mittwoch als vielleicht einziger unter den 12 432 Zuschauern immer an sein Team geglaubt. Die Trefferquote sei zwar schlimm gewesen, die Einstellung habe aber gestimmt. „Und wenn man dann nicht verzagt, sondern die Leidenschaft aufrechterhält, dann dreht sich das irgendwann.“ Im Gegensatz zu den Play-offs vor einem Jahr, als Alba eher nebeneinander als miteinander spielte und in der ersten Runde ausschied, bildet das Team 2011 eine Einheit. „Diese Mannschaft versteht sich gut, die mögen sich“, sagt Baldi. Daran können auch Katzurins Auswechselorgien nichts ändern. Albas Profis fügen sich inzwischen in ihr Schicksal, wenn sie der Coach wieder einmal nach wenigen Sekunden auf die Bank holt. „Das individuelle Schicksal ist in einer Finalserie vollkommen scheißegal“, sagt Baldi. „Ob das einer gut oder schlecht findet, spielt überhaupt keine Rolle.“

Um den wesentlich gefestigteren Bambergern die Meisterschaft zu entreißen, muss Alba allerdings konstanter werden. Am Mittwoch profitierten die Berliner von Foulproblemen der Gäste und der Abwesenheit des angeschlagenen Bamberger Spielmachers John Goldsberry, der am Sonnabend wieder fit sein dürfte. So wacklig, wie sich die Berliner bisher gezeigt haben, werden sie kaum zwei der noch maximal drei Saisonspiele gewinnen.

„Ich sage trotzdem: Dieses Team ist besonders“, erklärt Baldi stolz. Auch eine höfliche Umschreibung für „irre“.

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