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Sport: Basketball: Opale vor dem Schliff

Jo Hill wollte auf Händen aus der Halle laufen, es war verrückt. Doch sie kam nur zehn Meter im Handstand, dann warf sie eine Kollegin um.

Jo Hill wollte auf Händen aus der Halle laufen, es war verrückt. Doch sie kam nur zehn Meter im Handstand, dann warf sie eine Kollegin um. Wenn erwachsene Frauen tollen wie übermütige Jungen, dann ist Basketball im Super Dome. Die wilde Tour des australischen Damen-Teams, die heute ihren Höhepunkt bekommt: "Wir können die Goldmedaille schon riechen", hat Michele Timms nach dem 64:52 über Brasilien in das Mikrofon gerufen. Sie musste brüllen, weil sie sonst kein Mensch in diesem Tohuwabohu ihr Versprechen verstanden hätte. "Wir werden gegen die USA auch den letzten Schritt tun."

Ein letztes Mal wird Michele Timms neue, weiße Socken brauchen. Keine frisch gewaschenen, nein, nagelneue. Das war ihr olympischer Tick. Ein letztes Mal werden auch die 18 000 im Sydney lauter als bei jeder anderen Spielerin schreien, wenn "Timmsy" vorgestellt wird. Die Kleine mit der blonden Stoppelfrisur ist die wichtigste Frau im olympischen Super Dome. Sie treibt ihre Kolleginnen an und holt das Publikum von den Stühlen. Die Spielführerin ist auch hauptverantwortlich für Emotionen.

Nur so kann das Wunder gelingen, das sie alle zusammen planen. Denn eigentlich waren ja alle Goldmedaillen im Basketball reserviert für die Dream-Teams aus den USA. Bis dann die Australierinnen zum ersten Mal in dieser Super-Arena aufliefen und das "Aussie, Aussie oi oi oi" von oben kam. Zudem erlebten sie täglich den Beweis, wie die patriotische Kulisse die Kollegen und Kolleginnen über ihre Leistungsgrenzen wachsen ließ. Im Wasser des Aquatic Centers, im Sand von Bondi Beach, auf der Tartanbahn des Olympiastadions. Wieso nicht auch im Super Dome?

Michelle Timms gehörte zu den wenigen, die schon vor Beginn der Spiele an das große Ding geglaubt hatten. "Weil ich in den Hallen der WNBA mitgemacht habe, was Heimvorteil bewirken kann." Michelle Timms verdient ihr Geld in der besten Profi-Liga der Welt, bei Mercury Phoenix. Sie ist weit herumgekommen mit dem Basketball, spielte früher auch mal bei Lotus München, mit ihren 35 Jahren kann sie sich ein Urteil erlauben. Als sie vor Olympia nach ihren Ambitionen gefragt wurden, sagte sie ohne zu Zögern: "die Goldmedaille, schreibt das ruhig."

Ihre Kolleginnen hatten weniger glänzende Ziele. Möglichst viele Kinder kriegen, im Frieden mit einer Familie alt werden, vielleicht noch ein paar Jahre im Ausland spielen oder später im Leben nicht viel bereuen zu müssen. So wenigstens steht es in den Kurzbiografien des olympischen Computers. Der Verlauf des Turniers aber hat die sportlichen Perspektiven gewaltig verändert. Und aus lieb lächelnden Mädchen und ein paar jungen Muttis eine äußert aggressive Basketballmannschaft gemacht. Sieben Siege. Und jedesmal fragte man sich, warum diese Mannschaft auf den Spitznamen Opals hört. Mit dem geschliffenen Edelstein hatte deren Spiel nichts zu tun. Höchstens mit der Urform des Steins. Der hat Kanten, und wer damit zu tun hat, holt sich Kratzer.

Acht dieser Frauen gehörten schon vor vier Jahren zur Mannschaft, die ein bisschen überraschend die Bronzemedaille gewann. In Sydney nun wirkt die generelle Unterstützung und neuentdeckte Selbstbestimmung der grün-gelben Frauenbewegung wie Psycho-Doping. Sandy Brondello, die sonst für BTV Wuppertal spielt, und mit einigen Spielerinnen aus europäischen Teams befreundet ist, hat ihre guten Verhältnisse über die Zeit der Spiele für beendet erklärt. "Wir hauen uns rein und ziehen nicht zurück". Notfalls auch mal mit der Faust oder dem Ellbogen, wie dies die 19jährige Lauren Jackson gegen die Französinnen vorgeführt hat. Ein Phänomen mit 1,95, das keine Angst hat vor den Assen Serien- und Olympiasiegern aus dem Star-Katalog der WNBA. Ein Team, das fast komplett um vier Jahre gereift und durch die Bank gleichmäßig besetzt ist. Und besser als alle anderen Mannschaften in Sydney verteidigt hat.

Dazu kommt dann noch Michelle Timms, die zwar nur noch für 20 Minuten Power besitzt, die aber wirklich, und den Rest ihrer Energie dafür braucht, mit einem Handtuch in der Hand Mannschaft und Publikum in Ekstase zu treiben. Es wird ein richtiges Basketball-Endspiel geben und keine Haarlem-Globetrotter-Show am Samstagabend.

Martin Hägele

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