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Olympische Sommerspiele 2008

© AFP

Basketball: Spaß mit dem Bundesadler

Beim 95:66-Auftaktsieg der deutschen Basketballer gegen Angola zeigt sich Chris Kaman gut integriert. Als Deutscher fühlt sich der frisch eingebürgerte US-Amerikaner aber noch lange nicht.

Chris Kaman hat nicht mitgemacht. Fast alle deutschen Basketballspieler liefen gestern Vormittag mit den Olympischen Ringen im Haar auf das Spielfeld der Wukesong-Arena, der Centerspieler nicht. „Das sind Feiglinge“, sagte Kamans Teamkollege Dirk Nowitzki grinsend. „Ich muss mich ja danach bei meiner Freundin wieder sehen lassen, sie würde das nicht mögen“, erklärt Chris Kaman, „außerdem hat es Pascal Roller auch nicht gemacht.“ Der trägt allerdings auch eine Glatze.

Man könnte aus seiner Weigerung schließen, dass der im Juni per Eilverfahren eingebürgerte US-Amerikaner noch nicht in der deutschen Mannschaft angekommen ist. Doch auf dem Spielfeld war gestern exakt das Gegenteil zu sehen. Beim 95:66 (54:34) über Angola im ersten Gruppenspiel des olympischen Basketballturniers überzeugte der NBA-Spieler von den Los Angeles Clippers und erzielte mit 24 Punkten sogar einen Zähler mehr als sein NBA-Kollege Dirk Nowitzki. Die beiden 2,13 Meter großen Spieler dominierten vor allem in der ersten Halbzeit unter den Körben und gaben den Ausschlag dafür, dass das deutsche Team das Spiel ab dem zweiten Viertel im Griff hatte. Kaman wirkte spielerisch gut integriert, obwohl er erst vor vier Wochen sein erstes Spiel für Deutschland bestritten hat. „Es war gut, dass er zuletzt noch mal mit der Mannschaft trainieren konnte, er muss jetzt nicht mehr improvisieren“, sagt Bundestrainer Dirk Bauermann. „Die Spieler vertrauen ihm und wissen, wenn sie ihm den Ball geben, passieren gute Sachen.“

Doch es ist eine wunderliche Geschichte, dass der Mann aus Michigan in Peking mit einem Bundesadler auf der Brust aufläuft. „Mein Vater mag es nicht“, sagt Chris Kaman. „Er sagt: Du bist nicht Deutsch, du bist Amerikaner.“ Er habe ihm geantwortet, dass es doch dessen Großeltern gewesen seien, die während des Ersten Weltkriegs aus Deutschland ausgewandert seien. Der Urenkel ist nun am 6. Juli zum ersten Mal zurückgekommen. Er spricht aber fast kein Wort Deutsch, „nur Wörter, die ihr nicht hören wollt“, sagt Chris Kaman. Im Bus versteht er nicht, worüber die anderen Spieler reden. „Ich setz’ dann meine Kopfhörer auf und höre Musik.“ Und auch beim Briefing der deutschen Olympiamannschaft vor der Eröffnungsfeier wusste er nicht, worüber geredet wurde. „Das hat mich ein bisschen aufgeregt“, sagt Chris Kaman. Jemand hat es ihm später übersetzt.

Auch hat er Ärger mit den Los Angeles Clippers in Kauf nehmen müssen, um für ein Land zu spielen, das er nicht kennt. „Da sind unschöne Sachen gelaufen, man hat mich belogen“, sagt er, „eigentlich sollte man einen Spieler unterstützen, der immer loyal war.“ Auch die Einbürgerung und die Versicherung für seinen lädierten Knöchel zogen sich hin. Er hat es trotzdem mitgemacht, er sagt: „Ich hatte den Deutschen mein Wort gegeben.“ Warum aber spielt er überhaupt für ein Land, das er nicht kennt? „Ich will Basketball spielen, das ist die Hauptsache“, sagt er. Ob er auch in Zukunft für Deutschland spielt, macht er von Nowitzki abhängig: „Wenn er spielt, dann spiele ich auch.“ Sein neuer Reisepass scheint bei ihm eher die Funktion eines Spielerpasses zu besitzen. „Mir geht es nur um Basketball, es hat nichts mit meiner politischen Einstellung zu tun, ich will nur Spaß auf dem Feld haben.“

Am Abend des 18. August wird er aber noch einmal über seine Entscheidung nachdenken müssen. Vor dem Gruppenspiel gegen die USA wird er eine Nationalhymne hören, deren Wörter er nicht kennt. Und dann eine, die er im Kindergarten gelernt hat und die er vor jedem NBA-Spiel hört. Chris Kaman sagt: ,„Ich weiß noch nicht, was ich machen werde.“ Möglich aber, dass ein deutscher Nationalspieler die Hand auf sein Herz legt, wenn die amerikanische Hymne erklingt.

Olympische Sommerspiele 2008
Neudeutsch. Chris Kaman (links) war von den Angolanern nicht zu stoppen.

© ddp

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