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Sport: Basketball: Wichtig fürs Wohlgefühl

Einem hatte es die Sprache verschlagen. Mit verbissener Miene saß Andrej Urlep auf dem Podium und schaukelte unruhig mit dem Oberkörper.

Einem hatte es die Sprache verschlagen. Mit verbissener Miene saß Andrej Urlep auf dem Podium und schaukelte unruhig mit dem Oberkörper. Nur mühsam bekam der Trainer von Zepter Slask Wroclaw die Anstandsformel über die Lippen: "I congratulate Alba Berlin". Den Rest der Pressekonferenz verbrachte der Slowene schweigend. Wenn ihn jemand nach seinem Namen gefragt hätte - keinen Buchstaben hätte der cholerische Basketballtrainer verraten. Irgendwann vor diesem Redestreik soll Urlep einmal gesagt haben: "Für mich ist Gewinnen das Wichtigste." Nach dem Auftritt vom Donnerstagabend glaubt man ihm das sofort.

Slask Wroclaw hatte verloren, 78:86 nach Verlängerung gegen Alba Berlin in der Suproleague. Was Andrej Urlep vor allem aufs Gemüt schlug, waren die 36 Foulpfiffe der Schiedsrichter gegen seine Mannschaft. In der Overtime saßen fünf polnische Basketballspieler mit fünf Fouls auf der Bank, darunter die großgewachsenen Spieler Harold Jamison, Dominik Tomczyk und Adam Wojcik. Das hatte schließlich die dramatische und begeisternde Partie entschieden. "Wir konnten in der Verlängerung die Bälle unter dem Korb zu Dejan Koturovic und Wendell Alexis geben", erklärte Albas Centerspieler Teoman Öztürk die Überlegenheit der Berliner in den letzten fünf Minuten. "Wir waren in der Defense konstant und kontrollierten die Rebounds", sagte Alba-Trainer Emir Mutapcic. Die Berliner hatten den Kampf angenommen.

In erster Linie bekam Wendell Alexis die polnische Härte in der Verteidigung zu spüren. Weil die Foulpfiffe zunächst ausblieben, ließ sich der sonst so zuverlässige Flügelspieler völlig aus dem Konzept bringen. Mutapcic ärgerte sich: "Er muss dann hinten richtig verteidigen." Neun Ballverluste zeugen von der Bedrängnis, in die Wendell Alexis unter dem Korb geraten war. Trotz seiner schlechten Wurfquote von 25 Prozent, steuerte der 36-Jährige 17 Punkte zum Erfolg bei, darunter einen wichtigen Dreipunktewurf kurz vor der Schlusssirene. Öztürk sah die mäßige Leistung von Alexis positiv: "Wir können auch ohne Super-Wendell gewinnen."

Coach Mutpacic setzte nach dem Ausfall von Marko Pesic, der sich im Abschlusstraining einen Muskelfaserriss zugezogen hatte, auf den gesamten Kader. Dabei konnten Sven Schultze, Stipo Papic, der wiedergenesene Stefano Garris als auch Tommy Thorwarth in Kurzeinsätzen überzeugen. Darüberhinaus halfen Mannschaftskapitän Henrik Rödl (zehn Punkte, fünf Assists, fünf Ballgewinne) und Drazan Tomic (14 Punkte) dem überragendem Centerspieler und Topscorer Dejan Koturovic (29 Punkte). "Die ganze Mannschaft musste noch mehr Verantwortung in allen Bereichen übernehmen", sagte Rödl, "aber es war ein unglaublicher Kampf." Die Berliner gaben eine Führung von sechs Punkten in der Schlussminute der regulären Spielzeit noch einmal aus der Hand. "Das Spiel darf nicht in die Verlängerung gehen", ärgerte sich Mutapcic, "für uns hat Weihnachten wohl schon vor diesem Spiel angefangen."

Jetzt aber können seine Spieler beruhigt den Feiertagen entgegensehen. "Meine Mannschaft hat Charakter gezeigt", freute sich Mutapcic, "das war ein sehr wichtiger Sieg für unsere Zukunft in der Suproleague". Die Berliner stehen auf Platz sechs der Gruppe A, allerdings trennen die ersten sieben Teams nur zwei Siege. "Vielleicht gewinnen wir ja mal aus Versehen ein Auswärtsspiel", hofft Öztürk. Bis jetzt resultierten die Niederlagen aus den vier Spielen in der Fremde. Rödl kann sich das Schwächeln in den gegnerischen Hallen nicht so recht erklären: "Vielleicht ist es das Reisen, vielleicht können uns die Fans besser motivieren." Am 4. Januar steht nun das Auswärtsspiel beim Tabellenletzten Siena an, doch daran wollen die Berliner noch nicht denken. "Der Sieg war wichtig für unser Wohlgefühl über Weihnachten", sagte Rödl.

Nur einer dürfte den Feiertagen auch mit Bangen entgegensehen: Drazan Tomic. Sein Vertrag läuft Ende Dezember aus, nun muss der deutsche Nationalspieler neu verhandeln. "Wir werden uns zusammensetzen", erklärte Tomic, "ich würde mich freuen, wenn es klappen würde." Mutapcic wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Allerdings könnte die Verantwortung, die der Coach seinem Flügelspieler gegen Wroclaw übertrug, als Indiz für eine Vertragsverlängerung stehen. Erst begann Tomic in der Startformation, später in der Verlängerung spielte er durch. Der 26-Jährige sagte bescheiden: "Schön, dass ich einen Beitrag zum Sieg leisten konnte."

Dafür bekommt er von einem Mannschaftskollegen Unterstützung. "Ich fände es schade, wenn er gehen müsste", sagte Öztürk. Tomic hatte dem Druck standgehalten, sich noch einmal seinem Verein und der Öffentlichkeit präsentieren zu müssen. Öztürk fand: "Geil, wie er heute gespielt hat." Eine bessere Empfehlung kann man seinen Vereinsoberen eigentlich nicht geben.

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