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Bayer: Bundesliga statt Weltklasse

Die Bayer AG streicht der Leichtathletik und anderen Sportarten die viele Jahre erfolgreiche Förderung – nur für den Fußball gibt es weiter Millionen.

Bislang stand sie für die große Leverkusener Leichtathletikvergangenheit. 1972 siegte Heide Rosendahl zweimal bei den Olympischen Spielen in München, zuerst im Weitsprung und dann als Schlussläuferin der 4x100-Meter-Staffel, die die DDR-Staffel in Schach hielt, weshalb Rosendahl endgültig zur populärsten Leichtathletin der Bundesrepublik avancierte. Fortan personifizierte Ecker-Rosendahl, wie sie seit ihrer Hochzeit 1974 heißt, neben Willi Holdorf, dem Zehnkampf-Olympiasieger von 1964, die große Geschichte der Leichtathletik unter dem Bayer- Kreuz. Seit 1953, als der legendäre Trainer Bert Sumser für den Werksklub einen der weltweit besten Leichtathletikvereine aufbaute, förderte der Chemiekonzern großzügig diese Sportart – mit großem Erfolg. Vor allem im Hochsprung (Ulrike Meyfarth, Heike Henkel, Martin Buß) war Bayer stets Weltspitze.

Heute steht Heide Ecker-Rosendahl aber auch für die Zukunft. Die allerdings ist fraglicher denn je. Vor vier Wochen hat die Bayer AG, wie es im nüchternen Wirtschaftsdeutsch hieß, „ihr soziales und sportliches Engagement im Umfeld der deutschen Standorte neu strukturiert und einen dreistufigen Plan verabschiedet“. Ein darin enthaltener Satz sorgte für Entsetzen in den Gesichtern vieler Funktionäre, Sportler und Trainer: „Im Profisport wird sich Bayer ab Sommer 2008 ausschließlich auf Fußball konzentrieren und sich aus der Sportwerbung in den Bereichen Basketball, Handball, Volleyball und Leichtathletik mittelfristig zurückziehen.“ Die dort eingesparten Gelder, rund 3,5 Millionen Euro jährlich, sollen „stattdessen in die Bildung junger Menschen investiert werden“. Die Förderung des Breitensports sei nicht betroffen, versicherte der Konzern.

Die Profifußballer erhalten weiterhin 25 Millionen Euro jährlich, zusätzlich wird die Bay-Arena demnächst für rund 56 Millionen Euro modernisiert. Die Leichtathleten werden indes noch bevorzugt, ihre Förderung wird erst ab 2009 gekürzt, dann finden in Berlin die Weltmeisterschaften statt. „Bis dahin läuft die Galgenfrist“, sagt Joachim Strauss, Abteilungsleiter Leichtathletik im Gesamtverein TSV Bayer 04 Leverkusen. „Die fehlenden Einnahmen machen rund 20 Prozent unseres Etats aus“, erklärt Strauss. Diese Lücke soll nun die 60-jährige Ecker-Rosendahl schließen. „Sie koordiniert die Sponsorensuche“, sagt Strauss.

„Das Paradies des Sports macht dicht“, schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Doch der Aufschrei hielt sich seltsamerweise in Grenzen. Selbst bei den Volleyballern in Wuppertal oder den Handballern in Dormagen, die nun gezwungen sind, ihren Leistungssport alleine zu finanzieren, gab es keine lautstarken Proteste – obwohl es fast unmöglich ist, diesen Verlust innerhalb einiger Monate zu kompensieren. Diesen Klubs droht nun das Schicksal des einstigen Fußball-Bundesligisten Bayer 05 Uerdingen, dem der Konzern 1995 die Mittel strich – und der heute in der Oberliga herumkrebst (siehe nebenstehenden Bericht).

Auch in der Konzernzentrale regte sich nicht viel. Als die Mitglieder in einer Versammlung über die Konzernabsichten informiert wurden, ballten die meisten ihre Fäuste nur in der Tasche. Vielleicht hatte sie der Schock verstummen lassen. Aber viele halten offenbar auch den Mund, weil sie noch radikalere Einschnitte befürchten. Das versteinerte Gesicht etwa der renommierten Trainerin Renate Wolf, die die Handballerinnen eben zur Vizemeisterschaft geführt hatte, sprach jedoch Bände. Die Entscheidung sei „absehbar“ gewesen, sagte die Hochsprung-Olympiasiegerin Meyfarth-Nasse, den Frust darüber vermittelte nur der Tonfall. Klartext gegen die Zementierung der Monokultur des Fußballs spricht als eine der wenigen Heide Ecker-Rosendahl. „Die Entwicklung jetzt ist deprimierend“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Ich verstehe nicht, wie man nur auf Fußball setzen kann und gar nicht mehr auf olympischen Sport. Das wäre doch eine große Imagewerbung. Offenbar habe ich weniger zur Werbung beigetragen als Bernd Schneider.“

Unterstützung bekommt Ecker-Rosendahl aus Frankfurt. „Die Entscheidung des Bayer-Konzerns ist natürlich bedauerlich“, sagt Bernhard Schwank, Leistungssportdirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), „diese Sportarten rücken weiter in den Hintergrund. Dabei hat Bayer immer diese Vielfalt ausgezeichnet“. Auch die Jugendförderung werde darunter leiden. Der DOSB biete seine Hilfe an, um das wichtigste Leistungszentrum der Leichtathletik auch in Zukunft zu erhalten. Auch werde der DOSB, so Schwank, noch einmal mit der Bayer AG in Kontakt treten.

Abteilungsleiter Strauss hat nach ersten Gesprächen viel Hoffnung. „Wenn es uns gelingt, finanzielle Entlastung für unser in Deutschland einzigartiges Leichtathletikzentrum durch öffentliche Institutionen und Hilfe vom Deutschen Leichtathletikverband bei der Trainerfinanzierung zu bekommen, entlastet dies den Etat zugunsten der unbedingt erforderlichen Unterstützung der Athleten“, sagt er. Die bisherigen Signale machten Mut: „Ich bin optimistisch, dass wir den derzeitigen Status halten können.“

Überhaupt sei die Stimmung gut in der Leverkusener Leichtathletik. „Ich glaube, ich habe den Athleten und Trainern vermitteln können, dass die Lichter nicht ausgehen“, sagt Strauss. Die Trainerstellen in der Kernsportart der Olympischen Spiele bleiben ihm zufolge „unangetastet“. Freilich nur bis zur WM in zwei Jahren. Denn natürlich sei der Erfolg bei der anstehenden Werbung neuer Sponsoren auch von der Leistung der Athleten bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking und dann in Berlin abhängig. Insofern sei 2009 ein „Schicksalsjahr“. Aber nicht nur für die Athleten unter dem Bayer-Kreuz. Sondern „für die deutsche Leichtathletik“.

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