zum Hauptinhalt

Sport: Bayern - Manchester: Wie gemalt

Natürlich war es nach der neunzigsten Minute noch nicht vorbei. Natürlich hatten die Bayern wieder ein frühes Tor erzielt.

Natürlich war es nach der neunzigsten Minute noch nicht vorbei. Natürlich hatten die Bayern wieder ein frühes Tor erzielt. Natürlich hatte Alex Ferguson Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solskjaer gebracht und natürlich gab es in der Nachspielzeit einen Eckball von links. Nur Hartgesottene blieben da von Deja-vu aller Art verschont. "Es ist klar, dass das im Unterbewusstsein eine Rolle gespielt hat", berichtete Oliver Kahn von der mannschaftsinternen Gefühlswelt. "Aber realistisch betrachtet war uns klar: so etwas passiert nur einmal". Und das eine Mal war vor zwei Jahren und nun "ist das Trauma weg", wie Giovane Elber erleichtert feststellen konnte. Bayern München besiegt Manchester United 2:1, übersteht die Schlussphase schadlos und hat damit seine eigene Vergangenheit bewältigt. Trotz vier Minuten Nachspielzeit. "In vier Minuten kann viel passieren", sagte Ottmar Hitzfeld und lächelte wissend, "aber diesmal waren wir konzentriert bis zum Schluss".

Trainer Ottmar Hitzfeld sprach wie ein glücklicher Vater über seine artigen und tapferen Kinder. Er sprach mit Stolz von "Andersson, dem Wikinger, der sich tackern ließ". Der Schwede bekam nach dem Schlusspfiff mit mehren Stichen und ohne Betäubung eine Platzwunde über dem rechten Auge genäht. Und dann erst Kuffours Erste Hilfe für den k.o. gegangenen Oliver Kahn (siehe Kasten). Kuffour und Andersson lobte der Trainer nicht nur wegen ihres Engagements, sondern auch wegen ihrer sportlichen Leistungen. Denn die zuletzt wirre Abwehr zeigte sich verbessert. Von miserabel zu solide ist auch schon eine Fortschritt.

Aber schon der Anschlusstreffer nach der souveränen 2:0-Halbzeitführung durch die Tore von Giovane Elber und Mehmet Scholl, verriet, wie fragil der Bayern-Erfolg war. Als vier Minuten nach der Pause die gesamte Bayern-Abwehr ihren derzeit obligaten Aussetzer hatte, und Ryan Giggs clever über Kahn hinweg abschloss. Und wie sehr noch die zwei späten Tore von Barcelona auch zwei Jahre danach in der München Aprilnacht präsent waren, beschrieb Uli Hoeneß: "Nach dem 2:1 habe ich gedacht: Verdammt es sind noch dreißig Minuten zu spielen, das ist eine lange Zeit. Dann kam auch noch der Solskjaer rein, da habe ich gedacht: Um Gottes willen." Doch auf das zwar druckvolle, jedoch reichlich einfallslose Offensivspiel der Engländer hatten sich die Bayern schnell eingestellt.

Während bei Manchester nun Katastrophenstimmung vorherrscht und Kapitän Roy Keane defätistisch meinte, dass "diese Mannschaft am Ende ist", sind die Bayern glücklich wie lange nicht mehr. Nun wartet im Halbfinale die nächste offene Rechnung, die hat man mit Real Madrid. Eine Mannschaft, die man in der letzten Saison dreimal besiegte und dennoch aus der Champions League ausschied. Mit den zuletzt gezeigten Leistungen, auch mit der verbesserten gegen die Briten, wird man aber gegen Figo und Kollegen kaum eine Chance haben. Aber darüber macht man sich an der Säbener Straße derzeit keinen Kopf. "Wenn man im Halbfinale steht, dann hat man sehr viel erreicht und kann nur noch gewinnen", sagt Trainer Hitzfeld, "und das müßte zusätzlich Kräfte frei legen." Und wenn auch die Madrilenen "in einer Weise investieren konnten von der wir nur träumen können", so weiß auch der Bayern-Trainer, "dass auch gegen Real mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung eine Chance haben". Und Abwehrchef Patrik Andersson sagt: "Das war jetzt ein Endspiel und nun kommt das nächste Endspiel."

Sogar dem Pragmatiker Uli Hoeneß wird nicht bang, wenn er an die bevorstehende Aufgabe denkt und er schließt sich der vorherrschenden Mischung aus glückseligem Pathos mit hübscher Poesie an: "Das ist eine wunderbare Ausgangsposition. Hätte ich mir die Champions League malen können, ich hätte sie mir genau so gemalt."

Detlef Dresslein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false