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Sport: Bayern München: Nur noch acht Nationalspieler

Man kann dieser Tage wieder in zahllose Richtungen denken, was den FC Bayern München betrifft. Schockzustand oder Trotzreaktion?

Man kann dieser Tage wieder in zahllose Richtungen denken, was den FC Bayern München betrifft. Schockzustand oder Trotzreaktion? Sind da ganz kühle Kicker am Werk, die bei Seuchen, Inflation oder Weltuntergang immer gleich gut spielen? Oder doch auch sensible Spieler, die sich angesichts der augenscheinlich vorgeführten Risiken ihres Berufes Sorgen machen? Tatsache ist: Vor dem heutigen Saisonauftakt gegen Hertha BSC fehlt dem zuletzt so hoch gelobten FC Bayern München das gesamte zentrale Mittelfeld. Am Mittwoch wurde Stefan Effenberg operiert, am Donnerstag Jens Jeremies. Beide fehlen für mindestens zwei Monate. Zuvor hatten sich schon Giovane Elber, Paulo Sergio und Thomas Strunz krank gemeldet, Bixente Lizarazu hat großen Trainingsrückstand.

Das ist schlecht für die Bayern, aber gut für die Spannung in der Bundesliga: Zumindest in der Vorrunde dürfte es keinen Sololauf an der Tabellenspitze geben. Doch den sportlichen Notstand, wie die Konkurrenz schon heimlich hoffte, muss der FC Bayern auch nicht ausrufen. Stefan Effenberg, der wohl prominenteste Ausfall, war schon in den Vorbereitungsspielen nicht dabei. Dennoch lief es in allen Spielen von Anfang an so gut, dass der Kapitän gar nicht groß aufgefallen wäre. Effenberg ist der Spieler für die Situationen, wenn es nicht funktioniert, wenn man sich festrennt und vielleicht früh in Rückstand gerät. Dann ist er da, reißt mit, gibt den genialen Pass auf einen Kollegen, der dann auch nur zu gerne damit etwas anfängt. Doch zurzeit haben die Bayern einen Lauf, da ist selbst Effenberg einerlei.

Aber die Bayern haben auch hohe Ziele, und es werden Schwächephasen kommen und die Champions League mit ihrer multiplen Beanspruchung. Und da brauchen sie alle Spieler. "So gesehen ist das für uns eine Katastrophe. Für zwei oder drei Spiele kann man solche Ausfälle verkraften, aber nicht für zwei oder drei Monate", sagt Manager Uli Hoeneß. Trainer Ottmar Hitzfeld gibt sich nach außen gewohnt selbstsicher, aber auch er weiß, dass die lange Absenz samt der folgenden Wiedereingewöhnung wohl die personellen Planungen der gesamten Vorrunde beeinflussen wird. "Aber wir haben erfahrene Spieler, sodass die Ausfälle kompensiert werden können", findet Hitzfeld. "Und wir haben auch ohne Effenberg starke Spiele gemacht."

Die Lösung auf dem Feld war ohnehin schnell gefunden. Ciriaco Sforza rückt von der Viererkette ins offensive Mittelfeld. Seinen Platz in der Abwehr besetzt Patrik Andersson, nicht ganz so kreativ, aber absolut solide und defensivstark. Thorsten Fink übernimmt die Rolle von Jens Jeremies im defensiven Mittelfeld. Größere Umbauten innerhalb der Mannschaft sind bei den Bayern sowieso nie nötig, weil es exquisite Spieler für jede Position gibt. Ein Vorteil, den Ottmar Hitzfeld angestrebt hat: "Ich habe nie das Ziel gehabt, eine eingespielte Mannschaft zu bekommen, sondern dass möglichst viele Spieler topfit sind." Topfit im Sinne von geistig wach und vielseitig einsetzbar. Aus medizinischer Sicht vermitteln die fünf Verletzten derzeit einen anderen Eindruck.

Und so sieht es für das erste Spiel der neuen Saison gar nicht schlecht aus. Zwar stehen nur noch acht aktuelle Nationalspieler in der voraussichtlichen Startformation, sodass Ottmar Hitzfeld bescheiden bleibt. Obwohl der heutige Auftaktgegner noch vor elf Tagen, im Finale um den DFB-Ligapokal, leicht mit 5:1 bedient wurde, zählt Hitzfeld die Berliner zu den bedeutendsten Konkurrenten für die kommende Spielzeit. "Das Duell mit einem direkten Titelrivalen ist sehr wichtig. Wir brauchen drei Punkte", sagt der Trainer. Reine Höflichkeit? Schließlich gibt es nach den bisherigen Eindrücken kaum einen ernsthaften "Titelrivalen". Aber so etwas würde der Münchner Trainer natürlich nie laut sagen.

Detlef Dresslein

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