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© dpa

Bayerns Trainersuche: Louis van Gaal: Große Erfolge – großes Ego

Mit Louis van Gaal bekäme der FC Bayern einen alles andere als einfachen Trainer. Es könnte also lustig werden, wenn der Holländer auf die machtbewussten Münchner Bosse trifft.

Auf der Jubiläums-DVD zum hundertsten Geburtstag des holländischen Renommierklubs Ajax Amsterdam gibt es eine Szene, die einiges über Louis van Gaal erzählt. Die Szene hat sich im Winter 1995 auf dem Flughafen von Tokio zugetragen. Ajax war gerade zum Finale um den Weltpokal angereist und noch vor der Weiterfahrt ins Hotel gab van Gaal, der Trainer der Amsterdamer, einem Radioreporter ein Interview. Sehr zum Unwillen eines japanischen Lakaien, der offensichtlich Sorge dafür zu tragen hatte, dass der vermutlich perfekt ausgetüftelte Zeitplan nicht durcheinander geriet. Mehrmals forderte er van Gaal auf, doch bitte das Gespräch zu beenden, bis dem Ajax-Trainer der Kragen platzte. „I am the boss!“, herrschte er den Japaner an – und dann war endlich Ruhe.

Louis van Gaal ist der Chef, in dieser Angelegenheit lässt er nicht mit sich reden. Es könnte also lustig werden, wenn der Holländer neuer Trainer beim FC Bayern München wird, wo es mindestens drei Chefs gibt. Dass er trotzdem Favorit der Bayern ist, hat andere Gründe. Van Gaal besitzt beste Referenzen: Mit Ajax hat er Uefa-Cup, Champions League und Weltpokal gewonnen, mit Barcelona das spanische Double, und vor zwei Wochen erst hat er sich mit dem Provinzklub AZ Alkmaar die holländische Meisterschaft gesichert. Es war sein bisher schönster, da unmöglichster Titel. Seit 1981 hieß der Meister in Holland entweder Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam. Van Gaal aber hat mit Alkmaar bewiesen, dass der größte Etat nicht automatisch den größten Erfolg garantiert.

AZ hat seinem Trainer jetzt ein Ultimatum gestellt: In den nächsten zehn Tagen soll er sich entscheiden, ob er seinen Vertrag bis 2010 erfüllt. Die Aussichten sind eher gering einzuschätzen. Zum einen ist der 57 Jahre alte Aloysius Paulus Maria van Gaal immer noch extrem ehrgeizig, zum anderen würden die Bayern mit ihm einen exzellenten Fachmann bekommen. Einen einfachen Trainer aber bekämen sie ganz sicher nicht.

Van Gaals Ego ist nicht minder groß, als es seine Erfolge sind. Das holländische Fußballmagazin „Voetbal International“ hat ihm gerade eine gespaltene Persönlichkeit attestiert und ihm empfohlen, „professionelle Hilfe“ in Anspruch zu nehmen. Der eine Teil seiner Persönlichkeit ist der joviale Louis, der ständig das Gespräch mit seinen Spielern sucht, sich für ihr Privatleben interessiert und niemals ihre Geburtstage vergessen würde. Nach der Jubelfeier zu Ajax’ Champions-League-Erfolg 1995 trug van Gaal den Pokal zu den Waschfrauen des Vereins. „Der ist für euch“, sagte er. Eine Woche blieb die Trophäe in der Waschküche stehen.

„Er ist ehrlich, direkt“, sagt Sonny Silooy, der van Gaal 1991 nach dessen Beförderung zum Cheftrainer bei Ajax erlebt hat. Nach einem Monat teilte van Gaal dem Nationalspieler mit, er könne sich einen neuen Klub suchen. „Du weißt, woran du bei ihm bist.“ Van Gaals Mantra lautet: Nicht die besten Spieler gewinnen, sondern die beste Mannschaft. Auch deshalb hat er immer wieder Probleme mit Spielern, die sich wie Stars aufführen. Seine größte Niederlage erlebte van Gaal, als er mit Holland die Qualifikation zur WM 2002 verpasste. Die Mannschaft bestand zu großen Teilen aus den Spielern, die 1995 mit Ajax die Champions League gewonnen hatten – doch sie waren nicht mehr die folgsamen Talente, die bedingungslos auf ihren Trainer hörten.

Van Gaal, das jüngste von neun Kindern einer streng katholischen Familie, verlangt Disziplin, er hat elf Jahre als Sportlehrer an einer Schule in Amsterdam gearbeitet, und noch heute ist er vor allem Pädagoge. „Er trainiert, um den Spielern etwas beizubringen“, sagt Co Adriaanse, der unter van Gaal Nachwuchskoordinator bei Ajax war und inzwischen Red Bull Salzburg trainiert. Van Gaals Trainingseinheiten sind darauf ausgerichtet, den Zufall auszuschließen – das ist für ihn ein Ausdruck von Qualität.

So weit ist der Holländer mit seinen Ideen und Methoden gar nicht von Jürgen Klinsmann entfernt: Auch er schätzt intelligente Spieler, deren geistiger Horizont nicht an der Spielfeldbegrenzung endet. Potenzielle Neuverpflichtungen werden von ihm einem psychologischen Test unterzogen, die AZ-Spieler müssen jede Woche am Computer einen Fragebogen über ihr körperliches Befinden ausfüllen. „Ich will alles wissen“, sagt van Gaal.

Als Trainer sei van Gaal eine „Zierde für den holländischen Fußball“, hat „Voetbal International“ geschrieben, aber neben dem jovialen Louis gibt es eben auch den grimmigen Meneer van Gaal, der zu öffentlichen Wutausbrüchen neigt und sich einen Spaß daraus macht, Journalisten auflaufen zu lassen. „Mein ganzes Leben wird mir nachgesagt: Was ist das für ein arroganter Arsch?“, hat van Gaal einmal über sich erzählt. Warum das so ist, hat er erst zwei Wochen gezeigt. Nach einer Niederlage mit AZ stieß er eine Kamera weg, die ihn nach seinem Geschmack nicht hätte filmen dürfen. Dem dazugehörigen Sender teilte er anschließend mit, er stehe jetzt auf seiner schwarzen Liste.

Sein Verfolgungswahn ist in Holland fast schon legendär. Die Pressekonferenz nach seinem Rücktritt beim FC Barcelona begann van Gaal mit den Worten: „Freundinnen und Freunde von der Presse. Ich gehe. Herzlichen Glückwunsch!“ Danach hielt er einen dreißigminütigen Monolog.

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