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Sport: Berliner Sport im Blickpunkt: Sensible Pferde gesucht

Was fällt einem beim Begriff Amazone ein? Vielleicht eine langbeinige Schönheit mit dem außergewöhnlichen Etwas oder mehr die weibliche Kriegerin aus dem alten Griechenland?

Was fällt einem beim Begriff Amazone ein? Vielleicht eine langbeinige Schönheit mit dem außergewöhnlichen Etwas oder mehr die weibliche Kriegerin aus dem alten Griechenland? Helena Weinberg eher wohl nicht, obwohl sie durchaus als Amazone gelten darf. Doch die kleine kräftige Frau vermittelt mehr mütterlichen Charme. Dennoch gilt sie als beste Reit-Amazone der Welt, wie der Hallensprecher des Reit- und Springturniers CHI im Velodrom verkündet. Was bestätigt wird durch ihren derzeit 19. Platz in der Weltrangliste. So weit vorn ist keine andere weibliche Springreiterin.

Beste Amazone - dieser Titel bedeutet der 36-Jährigen wenig. Das liegt daran, dass die gebürtige Engländerin den Begriff Amazone aus ihrer Muttersprache nicht kennt - dort spricht man nur von Ladies. "Mir wäre lieber, nur drittbeste Frau zu sein, dafür aber in den Top Ten zu stehen", sagt Weinberg, die sich selbst nicht als etwas Außergewöhnliches sieht. Immerhin reitet sie seit 25 Jahren Turniere und ist als Frau nichts Ungewöhnliches in diesem Sport. Mit ziemlich viel Chancengleichheit für beide Geschlechter.

Trotz aller Gleichberechtigung sind die Frauen im Reit-Spitzensport deutlich in der Unterzahl und das, obwohl sich im Kinder- und Jugendalter fast ausnahmslos Mädchen mit Pferden beschäftigen. Helena Weinberg meint, dass Mädchen falsche Vorstellungen von der Arbeit mit dem Pferd haben. Auch sie war früher fanatisch nach Pferden und ist in ihrer Heimatstadt Sheffield regelmäßig zum Reiten gegangen. "Zu diesem Sport gehört aber mehr als nur die Liebe zum Pferd", sagt Weinberg, "viele Mädchen verstehen nicht, wieviel Arbeit dahinter steckt." Aus ihrer Sicht würden sie die Beziehung zum Pferd zu romantisch sehen. Im Jugendalter kämen dann die Jungen mit ihrem jugendlichen Ehrgeiz hinzu, die vorher die Mädchen wegen ihrer Leidenschaft noch augelacht haben. Spätestens, wenn Frauen Kinder bekommen, geben die meisten verbliebenen Reiterinnen auf.

"Viele Mütter verlieren den Mut, und der ist besonders wichtig", sagt die zweifache Mutter. "Außerdem braucht jede erfolgreiche Frau im Pferdesport einen Mann, der dahinter steht", behauptet Weinberg und unterlegt ihre These mit dem Argument, dass hinter jeder guten Reiterin ein finanzkräftiger oder pferdezüchtender Vater, ein Trainer oder ein Mann steht. Wie in ihrem Fall. Peter Weinberg ist ebenfalls ein erfolgreicher Springreiter. Mit ihm ist sie seit 1986 verheiratet und lebt seitdem als Deutsche auf einem Bauernhof in Herzogenrath bei Aachen.

Es gibt aber noch einen natürlichen Grund, warum kaum Frauen in die Spitze vorstoßen: "Frauen haben weniger Kraft." Helena Weinberg muss sich deshalb Pferde aussuchen, die mit mehr Gefühl geritten werden können. Bisher war die Auswahl da nicht groß. Doch die deutsche Zucht - die erfolgreichste der Welt - bringt immer mehr sensible Pferde hervor. Ein Grund, warum auch zunehmend Amazonen eine Chance haben - nie zuvor waren so viele Reiterinnen in der Weltrangliste vertreten. Für die Vorjahressiegerin des Championats von Berlin sind sie aber keine besondere Konkurrenz. Ihr ist es egal, ob sie gegen Frauen antritt oder gegen Männer. Und dass sie nach dem Weltcup-Sieg beim CHI 1999 behauptet hat, sie wollte ein wenig die Kerle ärgern, war auch nur für die Presse. Für die ist ein Springreiterin nämlich amazonenhafter als für die Reiterin selbst.

Ingo Wolff

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