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Beschluss zur Torlinientechnik: Euphorische Fifa, verhaltene Deutsche

Nach jahrelangen Diskussionen erlauben die obersten Fußball-Regelhüter nun den Einsatz der umstrittenen Torlinien-Technologie. Die deutschen Fußballfunktionäre reagieren positiv, aber verhalten.

Seit 1886 lenkt das International Football Association Board (Ifab) die Geschicke des Fußballs. Die Entscheidung, die das höchste Regelgremium am Donnerstag traf, dürfte aber zu seinen wichtigsten zählen: Am Sitz des Weltverbands Fifa in Zürich beschloss das Ifab einstimmig die Einführung technischer Systeme, die dem Schiedsrichter anzeigen, ob der Ball die Torlinie überschritten hat oder nicht. „Heute ist ein historischer Tag für den Fußball“, sagte Stewart Regan vom schottischen Fußballverband, der neben dem walisischen, englischen und nordirischen Verband sowie Vertretern der Fifa das Ifab bildet. Damit nahm er den Wortlaut vorweg, den wenig später auch Fifa-Präsident Joseph Blatter gebrauchen sollte. Fifa-Generalsekretär und Ifab-Vertreter Jerome Valcke sprach gar vom „Anfang eines neuen Zeitalters im Fußball“, der nordirische Vertreter Patrick Nelson von „weltweiten, langfristigen Folgen“.

In der Vergangenheit hatte das Ifab die Einführung technischer Hilfsmittel oft diskutiert, bislang aber immer abgelehnt. Die jüngste Fehlentscheidung im EM-Spiel zwischen der Ukraine und England, bei dem ein Torrichter einen regulären Treffer der Ukrainer nicht erkannte, hatte die Diskussion neu entfacht. Während sich Fifa-Präsident Blatter für die Torlinientechnologie stark machte, war Uefa-Chef Michel Platini bei seiner Ablehnung geblieben. Platini fürchtet, dass künftig mehr und mehr Entscheidungen des Schiedsrichters angezweifelt und das Spiel durch immer mehr technische Hilfsmittel verändert werden könnte.

Die Ifab-Vertreter versicherten nun allerdings, dass es bei diesem einen Eingriff bleiben soll. „Wir eröffnen keine Grundsatzdiskussion“, sagte Jerome Valcke. Englands Vertreter Alex Horne fügte hinzu: „Hier fangen wir an und hier hören wir auf.“ Auch soll es sich bei der Technologie lediglich um Hilfsmittel für den Unparteiischen handeln – die finale Entscheidung liegt den Ifab-Vertretern zufolge weiterhin beim Schiedsrichter. Zudem sei auch nicht vorgesehen, Videoaufnahmen oder Animationen wie beim Tennisturnier in Wimbledon für die Zuschauer sichtbar zu machen.

In einer ersten Testphase im vergangenen Jahr hatten acht Firmen ihre Systeme vorgestellt. Im März hatte das Ifab die Liste der Anbieter auf zwei – das englische Hawk-Eye-System und die deutsche GoalRef-Technologie – reduziert und weitere Tests unter Wettkampfbedingungen angeordnet. Das Ifab ließ nun beide Systeme für den Spielbetrieb zu und will auch beide Technologien bei der Klub-WM im Dezember in Japan einem Praxistest unterziehen. Danach soll die Technologie auch beim Confederations Cup 2013 und der WM 2014 in Brasilien eingesetzt werden. Bei diesen Turnieren wird die Fifa die Kosten der Installation übernehmen, die laut Valcke zwischen 120 000 und 200 000 Euro je Spielort liegen, in der Zukunft aber sinken könnten.

Es bleibt den nationalen Verbänden, Ligen und Wettbewerben überlassen, ob sie ihre Stadien mit den Systemen ausrüsten. Die Fifa behält sich allerdings vor, die Technik zu prüfen, zu lizensieren und freizugeben. Alex Horne sprach davon, er könne sich eine Einführung in der englischen Premier League bereits zur Rückrunde der kommenden Saison vorstellen.

In Deutschland fielen die Reaktionen verhalten positiv aus: „Aus Sicht des DFB ist es ein Schritt in die richtige Richtung“, wurde DFB-Präsident Wolfgang Niersbach auf der Homepage des Deutschen Fußball-Bundes zitiert. Schnellschüsse in der Umsetzung dürfe es aber nicht geben– es sei „der richtige Weg“, den Einsatz der Technik zunächst auf die großen Fifa-Turniere zu konzentrieren. Niersbachs Auffassung, wonach eine Einführung für die Bundesliga zur neuen Saison „absolut unmöglich“ sei, wurde von Liga-Chef Reinhard Rauball unterstützt: „Ich kann mir das frühestens zur Saison 2013/14 vorstellen“, sagte Rauball der „Bild“-Zeitung.

Das Ifab setzt indes nicht nur auf Technik: Auch die zuletzt erprobten zusätzlichen Schiedsrichterassistenten („Torrichter“) bleiben zugelassen. Ebenfalls einstimmig wurde Fußballerinnen das Tragen von Kopftüchern erlaubt: eine Entscheidung von großer Bedeutung, die allerdings neben der Aufregung um die Technik-Revolution ein wenig unterging.

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