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Bayern nimmt Maß. Arjen Robben erzielt das 2:0. Herthas Hubnik und Münchens Gomez schauen zu. Insgesamt traf der Holländer am Samstagabend drei Mal. Foto: Nordphoto

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Sport: Besser als Basel

Hertha BSC darf am nächsten Spektakel der Bayern teilnehmen, verliert 0:6 und rutscht auf Platz 17 ab.

Berlin - Ein paar Minuten vor der Pause gab es im Olympiastadion fast schon frenetischen Beifall. Die Anhänger von Hertha BSC jubelten – über die erste Ecke für ihre Mannschaft. Die Häme war nur schwer zu überhören. Der Berliner Fußball-Bundesligist lag zu diesem Zeitpunkt 0:3 gegen Bayern München zurück, das ungleiche Duell war längst entschieden. Doch neben dem desaströsen Ergebnis drückte auch der blamable Auftritt der Berliner mächtig auf die Stimmung. 0:6 hieß es am Ende. So hoch haben die Berliner erst zweimal in der Bundesliga verloren. Beide Male – 1980 und 1991 – stiegen sie anschließend ab. Dieses Szenario wird auch für diese Saison immer wahrscheinlicher.

„Wir haben bitter verloren“, sagte Trainer Otto Rehhagel. „Aber rein rechnerisch ist noch alles möglich.“ Solche Sätze sind ein sicheres Indiz dafür, dass der Glaube an die Rettung nicht mehr allzu groß ist, und so machte sich am Abend eines schönen Frühlingstages im Olympiastadion Endzeitstimmung breit. Im neunten Spiel der Rückrunde kassierte die Mannschaft ihre achte Niederlage, zum siebten Mal blieb sie ohne Tor, und erstmals in dieser Saison belegt sie nun einen direkten Abstiegsplatz.

Die Bayern hingegen setzten ihren Aufwärtstrend fort. 7:1 gegen Hoffenheim in der Bundesliga, 7:0 in der Champions League gegen Basel, macht 20 Tore in drei Spielen. „Nach der Niederlage in Leverkusen ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen“, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. „Man kann in solchen Situationen auch zerbrechen.“

Genau das droht nun den Berlinern, für die sich die Situation nach den Siegen der Konkurrenten Freiburg und Augsburg schon vor dem Anpfiff weiter zugespitzt hatte. Kurz vor dem Anpfiff war im ausverkauften Olympiastadion zwar so etwas wie Jetzt-erst-recht-Stimmung auszumachen, aber die hielt nicht lange vor. Dazu trug auch Otto Rehhagel seinen Teil bei: Während die Bayern mit derselben Elf wie bei den jüngsten beiden Kantersiegen begangen, schüttelte Herthas Trainer seine Mannschaft einmal komplett durch.

Es schien, als hätte Rehhagel elf Würfel mit den Namen seiner Spieler in einen Becher gesteckt, sie aufs Feld geschüttet – und sein Team dann genau in dieser Formation spielen lassen. Heraus kam ein 4-1-4-1-System, in dem kaum ein Spieler sich auf seinem angestammten Platz wiederfand. Raffael lief als einzige Spitze auf, Nikita Rukavytsya spielte rechts im Mittelfeld, neben ihm Christian Lell. Dessen Position in der Viererkette übernahm Fanol Perdedaj.

Die Idee war wohl, dass der bissige Perdedaj dem Franzosen Franck Ribéry die Lust am Spiel nehmen sollte. Der Plan ging vollkommen daneben. „Man muss schon ein bisschen Glück haben“, sagte Rehhagel. Dass das im Abstiegskampf eine recht dünne Geschäftsgrundlage ist, zeigte sich nach 45 Sekunden, als Ribéry zum ersten Mal ohne Probleme an Herthas U-20-Nationalspieler vorbeizog. Bis zur neunten Minute leitete der Franzose über die rechte Berliner Abwehrseite zwei weitere Angriffe ein, mit dem vierten Versuch nach nicht einmal zehn Minuten war es dann geschehen: Ribéry ließ Perdedaj mit einem kurzen Antritt einfach stehen, passte in die Mitte – und Müller vollendete zum 1:0.

Rehhagels selbstzerstörerisches Experiment war damit beendet, Lell nahm wieder seine gewohnte Position ein – die Bayern aber ließen sich dadurch in ihrer Offensivlust nicht bremsen. Drei Minuten nach dem Führungstreffer erhöhte Arjen Robben nach einem Konter auf 2:0. Kurz darauf wurde Müller von Lell und Janker regelwidrig in die Zange genommen, den folgenden Elfmeter verwandelte Robben zum 3:0. Immerhin: Im Vergleich zum Hinspiel hatten die Münchner diesmal fünf Minuten länger für dieses Ergebnis gebraucht.

Sonst ließ sich aus Berliner Sicht wenig Positives finden. Dass Hertha in der ersten Hälfte zu drei Chancen durch Raffael, Ramos und Roman Hubnik kam, lag vor allem daran, dass die Münchner der Defensivarbeit schon früh keinen besonderen Wert mehr beimaßen. Sie berauschten sich lieber an ihrer Offensive. Die Berliner wurden regelrecht der Lächerlichkeit preisgegeben. Bei einem Freistoß knobelten Ribéry und Toni Kroos per Schnick-Schnack-Schnuck aus, wer zur Ausführung schreiten durfte.

Man kann gegen Bayern verlieren, für einen Abstiegskandidaten ist das sogar der wahrscheinliche Fall, aber man dürfe sich dann nicht abschlachten lassen, hatte Rehhagel vor dem Spiel gesagt: Man müsse als Held vom Platz gehen. Die Berliner verließen das Feld wie Trottel – auch weil Rehhagel seinen schlimmsten Fehler aus der ersten Halbzeit einfach noch einmal wiederholte. Zur zweiten Hälfte wechselte er Alfredo Morales ein. Lell rückte wieder ins Mittelfeld, der 21 Jahre alte Morales ging in die Viererkette. Sein erster Zweikampf mit Ribéry hatte den zweiten Elfmeter und das 4:0 durch Mario Gomez zur Folge; eine Viertelstunde später foulte Morales den Franzosen ein zweites Mal, wieder gab es Elfmeter: Robben traf zum 6:0.

Das zwischenzeitliche 0:5 leitete Janker nur eine Minute nach dem 0:4 durch einen Ballverlust im Mittelfeld ein, Torhüter Sascha Burchert, der zur Pause für den angeschlagenen Thomas Kraft aufs Feld gekommen war, konnte zunächst noch retten, war dann aber gegen den Nachschuss von Toni Kroos machtlos. Auf der Bank verfolgte Otto Rehhagel das Schreckliche längst mit starrem Blick. Vom Zauber des alten Meisters war nichts mehr zu spüren.

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