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© Claus Vetter

Besuch von der Insel: An Englishman at Eisbären

Stephen Bench-Capon kommt aus Cambridge und ist Fußball-Fan - na klar. Am Dienstag hat er bei den Eisbären Berlin vorbeigeschaut und Eishockey mit der Premier-League verglichen - mit erstaunlichen Erkenntnissen.

Auf dem Weg zum Eisbären-Stadion habe ich mir gedacht, es wird auf jeden Fall entweder lustig komisch oder einfach komisch komisch. Es war dann aber weder das Eine noch das Andere. Beim Eishockey suchte man freien Raum, da musste man die Torchancen nutzen, und da legte man sich regelmäßig auf die Fresse. Von daher hätte es locker ein Premier-League-Spiel sein können.

Aber man müsste schon gut was verändern, wenn man dieses "Eishockey" (so nennen die das Getobe hier) auch in England veranstalten würde. Erstens muss die Dönerbude im Stadion weg. Die ist zwar eine hervorragende Idee, aber Engländer kämen einfach nie raus auf die Tribüne, wenn sie sich Backstage reichlich mit Fress- und Suffstoff versorgen könnten. Die englischen Teams wissen schon Bescheid und daher verkaufen die ja im essbarsten Fall ein sogenanntes Hot Dog, das aber weder  "hot" ist noch aus "do.."...naja, da fragt man lieber nicht.

Accessoires statt Nacktheit

Zweitens muss die Musik weg. Das Brüllen der Fans ist beim Torbejubeln kaum mehr zu hören, was natürlich dazu beiträgt, dass die alle nach irgendwelchen Fähnchen oder Schalen greifen, um deren Manie auszudrücken - ist gutes Business für den Klubshop, aber es fällt den meisten Premier-League-Fans, bekanntlich in Newcastle, oft schwer, überhaupt ein T-Shirt mitzubringen, ganz zu schweigen von sonstigen Accessoires. Dass die Berliner damit klarkommen finde ich schon lobenswert. Vor allem musste ich aber das Traditionsgefühl der Fans bewundern.

Bei uns heulen die ein bisschen rum, wenn ins neue Stadion gezogen wird, oder wenn ein Stammspieler nach zehn Jahren zum Rivalen wechselt, aber richtig was dagegen machen die nicht. Hier haben sie es aber tatsächlich im Blut. Am Dienstag fingen sie im dritten Drittel an, die ostdeutsche Herkunft der Mannschaft zu ehren und zwar mit  einer gut organisierten, beinah sozialistischen Arbeitsverteilung. Wo die  Engländer sich gegenseitig anschreien, bis der eine oder der andere keinen  Bock mehr hat und mal die Theke suchen geht, haben die Berliner mit einer  Schichtklatscherei angefangen. Und sie war klasse. Da musste sich keiner  wirklich anstrengen, weil man alle 60 Sekunden Pause machte, und da hatte man, auch wenn die Gesamtproduktion einfach halb so hoch war wie wenn alle zusammen geklatscht hätten, eine gute Scheinwirkung von starker Leistung.

Trotz Promille: die meisten Fans kennen das Ergebnis

Respekt den Eisbären-Fans auf jeden Fall. Und das war nicht nur bei den  Zuschauern so - es gab auch irgendwie vier Schiedsrichter und zwei davon  sind einfach die Seitenlinien auf- und runtergelaufen, obwohl es gar kein  Seitenaus geben kann. Aber beschäftigt auszusehen, vermochten sie ganz gut. Die Schiris haben es auch schon leichter, denn nach jeder Entscheidung wird  laut bekannt gegeben, warum gepfiffen wurde. (Über inkorrekten Körpereinsatz hat sich meine Ex-Freundin auch öfter beschwert.) Die  Zuschauer kriegen aber deswegen ganz viel mit. Ich hatte immer gedacht,  dass der Mangel an Bewusstsein bei den Premier-League-Fans auf die Promille  zurückzuführen wäre, aber jetzt weiß ich - zu wenig Hinweise im Stadion. Ich schätze, mehr als 60 Prozent der Leute, die nach der Schlusssirene aus der O2-World strömten, hätten dir das richtige Ergebnis geben können. Oder  mindestens gecheckt, wer gesiegt hatte.

Also bin ich begeistert. Nicht bloß, weil man zwei Pausen hat, in den man pinkeln und neu tanken kann, sondern auch, weil die Atmosphäre kein bisschen darunter leidet, dass die Sportart, die da aufgeführt wird, so zuschauerfeindlich ist. Der Puck ist ganz klein, die Spieler haben alle Helme drauf, damit sie anonym bleiben und wenn du doch jemanden erkennst, ist es eh egal, da sich die komplette Aufstellung jede Minute auswechselt. Also Prost dem deutschen Eishockey. Hier wird der Sport richtig auf den Kern reduziert, aus dem er ursprünglich entstanden ist - auf die Zuschauer, auf deren Besoffenheit und auf den Döner.

Stephen Bench-Capon

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