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Besuch von der Insel: An Englishman at Füchse

Nach seinem Besuch bei den Eisbären und bei Hertha hat sich Stephen Bench-Capon, unser Gast aus England, diesmal für Tagesspiegel.de in der O2-World beim Spiel der Handball-Füchse gegen Kiel umgesehen.

Seit der Erfindung des Schiffs bereits segeln wir Engländer aufs weite Meer hinaus und erforschen die merkwürdigen Pflanzen-, Tier- und Sportgattungen, die in der wilden Fremde beheimatet sind. Einige Heimkehrer erzählen dann Geschichten von ihren Weltreisen, von wolkenlosen Himmeln und EM-Finalspielen und während solches uns weiterhin fremd bleibt, bürgert sich manches doch ein. Beispiele dafür sind die Kartoffel und die Wurst.  Wie wird’s denn dann mit dem Handball? Der Begriff ist uns zwar bekannt, aber, wie der Salat, nur als Theorie. Keiner hat bisher wirklich nachgeforscht, wie er funktioniert, was dahinter steckt, und ob dieses primitive Treiben tatsächlich, so wie die Darwinisten uns sagen, irgendeine Verwandtschaft zum edlen Fußball oder gar zum raffinierten Rugby haben könnte.

Als Naturforscher auf einem fernen Kontinent muss man zwei Dinge stets beachten: alles, was man findet, ist des lieben Gottes Schöpfung und daher etwas Wertvolles. Zweitens aber, dass nicht alles zu verstehen ist. Als Sterbliche sind wir nicht in der Lage, Gottes Welt in ihrer großen Vielfalt zu kapieren. Bei unseren Sportarten sind Tore das Gute, das Wahre, das Erzielte. Im Handball haben sie auch Tore, aber sie bringen nichts als Gleichgültigkeit. Am Freitagabend jedenfalls sind in Berlin 59 Tore gefallen und das Spiel galt als "langweilig". Zugegeben fallen im Schnitt bei einem Füchse-Spiel 60,4 Tore, aber es ließ sich beim Spielstand 25:34 schwer glauben, dass anderthalb weitere Tore einen Jubelausbruch im Publikum ausgelöst hätten.

Paarungstanz ohne Weibchen

Das Publikum war aus englischer Sicht sehr primitiv. Auf der Insel hat sich im Zuschauerverhalten eine deutliche Struktur entwickelt. Erstens bilden die Anhänger zwei Gruppen, dann wird gesoffen und, wenn die Zeit ausreichend ist, geprügelt. In der O2-World sah man kein solches Phänomen. Zunächst waren zwei gegnerische Fan-Gruppen unterscheidbar: Zebras und Füchse. Durch die genauere Betrachtung ergab es sich aber, dass die Füchse mit ihrem Trommeln oft den Gesang der Zebras begleiteten. Man müsste eine zweite Studie machen, um zu bestätigen, ob es eine universelle Unterordnung dem Gast gegenüber gibt, oder ob die Kieler halt überall die dominanten Männchen sind.

Bei den Spielern war es anders. Bei denen war schon eine Art Rivalität zu erkennen. Sie war zwar nicht dermaßen ausgeprägt, dass man Treffer besonders feierte, aber ausnahmslos jeder Spieler hat konsequent das eine oder das andere Tor angegriffen. Die Loyalität zur eigenen Mannschaft war unabdingbar. Innerhalb des eigenen Teams spielt sich eine Art Paarungstanz vorm Strafraum ab, bei dem der Ball eine halbe Minute lang hin- und hergepasst wird, bis einer die Mut hat, seine Stärke zu beweisen und aufs Tor zu werfen. Die Weibchen ließen sich allerdings nicht blicken und vermutlich findet der Akt der Fortpflanzung erst nach dem Spiel im Herzen des Fuchsbaus statt. Den habe ich aber leider nicht beobachten können.

Beim Siebenmeter endlich treffen

Es ist aber oft so, dass die erste nahe Begegnung mit dem Fremden mehr neue Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Das bisschen Verständnis macht einem klar, wie viel man noch zu verstehen hat, und wenn die Engländer eine Mannschaft 2012 in London aufstellen möchten, müssen wir noch einiges lernen. Dass in dem Spiel überhaupt kein Mittelfeld erkennbar ist, würde schon sehr gut passen, aber die gewichtige Rolle des Torwarts könnte für uns Engländer problematisch sein. Es ist schön, dass man foulen darf und dass man sogar an heißen Tagen durch das Hallendach vor Sonnenbrand geschützt wird, aber die beidbeinige Grätsche ist hier doch nicht gefragt. Vor allem kommt die Hoffnung aber daher, dass aus nur sieben Metern Entfernung sogar wir den Ball vielleicht mal reinkriegen könnten.

Stephen Bench-Capon

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