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Sport: Betörend und grausam

Hoffenheims Stil ist nichts für schwache Nerven.

Sinsheim - Markus Gisdol hat einen Traum. Vor Kurzem erzählte der Hoffenheimer Cheftrainer von seiner Idealvorstellungen, in der zwei Mannschaften in neutralen Trikots spielen, „und man immer erkennt, wer Hoffenheim ist“. Gisdol scheint seinem Ziel ganz nahe: Nach dem 3:3 gegen den FC Schalke 04 wird sich kaum einer unter den 30 000 Zuschauern finden, der nicht mühelos hätte sagen können: „Die da sind Hoffenheim.“

Die Hoffenheimer sind jene Mannschaft, die nach sieben Spielen ein abenteuerliches Torverhältnis von 18:18 besitzt und so verrückte Auftritte abliefert, dass TSG-Trainer Markus Gisdol bei den Zuschauern schon einen Erlebniszuschlag erheben will. So spielen sie, seit sie nicht mehr von einem internationalen Wettbewerb reden, den Dietmar Hopp mit seinen Millionen erkaufen sollte. Trotzdem schritt der Mäzen am Ende mit einem Fanschal um den Hals in die Kabine, was ausdrücken könnte, dass auch dem mächtigen Geldgeber die Inhalte des Programms 2013/2014 auf der Showbühne Hoffenheim gefallen.

So unterhaltsam und spannend die Sache für die Zuschauer ist, für schwache Nerven ist der Stil nichts „Auch für Trainer ist das grausam“, sagt Gisdol. Trotzdem scheinen die Hoffenheimer in der Lage, diese nervenaufreibende Berg- und Talfahrt in einem Spiel immer wieder zu bewältigen. „Bis auf Stuttgart hatten wir immer die Kraft und den Willen“, stellte Eugen Polanski fest. In Hoffenheim wähnt man sich trotz 18 Gegentreffern einen Schritt weiter. Nach sieben Spielen sind neun Punkte hängen geblieben. Vergangene Saison waren es in der gesamten Vorrunde zwölf.

Der Hoffenheimer Stil besteht aus „überfallartigen Angriffen“ (Gisdol) aus einer stabilen Defensive. Und genau da liegt auch das Problem.

Gelingt es den Hoffenheimern nicht, dem Gegner den Schwung zu nehmen, kommt der zu oft zu Chancen und Toren. Gegen Schalke standen Gisdols Spieler in Hälfte eins zu weit von ihren Gegnern weg, im Mittelfeld entstand keine Dynamik für eigene Angriffe. So fehlte dem Hoffenheimer Spiel die Basis. Zugleich erhielt Schalke viele Räume. In Hälfte zwei gab es diese nicht mehr, Hoffenheim fand zum Fundament des eigenen Stils zurück.

Noch schafft die junge Mannschaft es nicht, die Kontrolle über das Spiel 90 Minuten lang zu behalten. Stattdessen wird sie zu einem Kraftakt gezwungen.

Schon einmal hat die TSG Hoffenheim einen ähnlichen Matchplan verfolgt, auch unter Ralf Rangnick gab es Fußball mit hohem Spaßfaktor. Doch der aktuelle Kader der Hoffenheimer ist nicht mehr so breit aufgestellt wie damals, Ausfälle von Routiniers sind schwerer auszugleichen. Vorerst scheint das im Kraichgau niemanden zu stören. Zu betörend sind solche Spiele wie das 3:3 gegen Schalke. „Was haben wir für eine geile Mannschaft“, rief Stadionsprecher Mike Diehl nach dem Schlusspfiff in sein Mikrophon. Der Mann klang sehr erleichtert. Oliver Trust

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