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BFC Dynamo und 1. FC Union zu DDR-Zeiten: Schläger hinter Stacheldraht

Sie stänkerten, provozierten, randalierten - doch offiziell gab es sie nicht: Hooligans im DDR-Fußball.

Knapp 18 Jahre nach dem Mauerfall erscheint in dieser Woche ein packendes Buch über die ostdeutsche Fußballfanszene: „Stadionpartisanen – Fans und Hooligans in der DDR“ (Eulenspiegel-Verlag, 224 Seiten, 16,90 Euro). Gewalttäter und Nazis gab es damals offiziell gar nicht. Und die Fans des Stasilieblingsvereins BFC Dynamo sollten alle linientreu sein. Die Fans erzählen es allerdings anders. Vorab drucken wir die Erinnerungen des BFC-Fans „Uschi“ und die des Unioners „Dall“. Zwei Perspektiven aus einem halben Land, zwei wahre Geschichten.

Uschi, Fan des BFC Dynamo:

„Wir trafen uns nach der Schule immer in der Schönholzer Straße an den Tischtennisplatten. 1972 wurden wir auf Flutlichtmasten und Fangesänge aufmerksam. Die Grenze machte am Mauerpark eine Kurve, wir konnten die Flutlichter vom Jahn-Sportpark sehen. Ich wurde neugierig. Wir BFC- Fans waren ein Teil der DDR, aber der Staat ging uns am Arsch vorbei. Nach den Gesetzen der DDR war ich ein Staatsfeind.

Der Westen hatte großen Einfluss auf uns. Angefangen mit der Bundesliga im Fernsehen, den Sprengel-Fußballbildern, den Aufnähern und Schals, bis hin zu Flugblattaktionen aus dem Westen. Als der Wind günstig stand, flogen im Stadion der Weltjugend einmal während eines Spiels Zettel durch die Luft. Die Stasi und die Vopos stürzten sich wie die Aasgeier auf diese Zettel und jene, die sie aufheben wollten. In unserem Staat ging es wirtschaftlich bergab, wir waren einfach nur anti. Wir sahen die Bonzen auf der Tribüne, die Grenzsoldaten in unserem Rücken. Wir sahen die Stasi in unseren Reihen rumspringen. Durch deren übertriebene und manchmal peinliche Auftritte sammelten sich in unseren Blöcken Leute, die den Wichsern gern mal eine in die Fresse hauen wollten. Die Szene beim BFC wurde gewalttätiger.

Wir provozierten mit Gesängen und Spruchparolen. Wir waren rechts, links, Punk, Hippie, Skinhead. Wir waren direkt und provozierend, lieb und böse, verliebt oder besoffen. Coole Sprüche kamen immer gut an. Rechts oder links, will ich keinen einordnen. Wir waren in unserer Fangruppe alle gegen die DDR, Rebellion!

Bei Auswärtsspielen haben wir fast immer vor ausverkauften Rängen gespielt. Alle wollten die Bullen aus dem Osten Berlins fallen sehen. Wir standen für alles Schlechte in der DDR. Das fand ich geil!

Die Grenze zu West-Berlin war am Jahn-Sportpark unüberwindbar. Sie war sehr übersichtlich und gut gesichert. Auch durch Bullen und Stasi, die in unseren Reihen unerkannt vorhanden waren. Schwere Fahrzeuge wären in Minuten vor Ort gewesen, Hunde bellten aus dem Todesstreifen. Es war ja nicht nur die Mauer zu überwinden, sondern auch noch ein sehr hoher Zaun aus Metall, Stolperdraht, Nagelmatten, Wachtürme. Bis zur eigentlichen Mauer Richtung Wedding war es ein weiter Weg. Ob es eine Schießanlage gab, wollte keiner herausbekommen.

Waffen kamen bei der Randale von unserer Seite nie vor, mit Zaunlatten oder Steinen ging’s schon los. Meist benutzte man die Hände, Knie, Füße.

Leipzig, Ratskeller, in den 80ern: Wir saßen in Leipzig am Hauptbahnhof fest. Es kommen drei verletzte BFC-Fans an, erzählen von Übergriffen gegnerischer Sachsen. Der Mob, 300 Mann, rannte zum Ratskeller. Das Lokal wurde gestürmt, hinten saßen vier Chemie-Leipzig-Fans. Die wussten sofort, was die Stunde geschlagen hat, griffen ihre Gläser und warfen sie auf uns. Auf der rechten Seite des Ratskellers saß eine große Hochzeitsgesellschaft. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich der riesige Saal in ein Schlachtfeld. Gläser, Aschenbecher und Stühle flogen. Ich muss sagen, dass ich die Hose ziemlich voll hatte.

Die Nationalmannschaften der DDR und der BRD waren uns sehr wichtig. Die eine stand für Freiheit, die andere für unser Zuhause.“

Dall, Fan des 1. FC Union: „ Für mich war’s interessant, hinter vorgehaltener Hand in der Masse gegen Bullen, Stasi und den Staat zu schimpfen. In dem Riesenpulk hat man sich Sachen getraut, die sonst keiner aussprach. Da ham 40 000 Leute „Scheiß Osten“ und „Stasi raus“ gebrüllt. Das war spannend, kribbelnd, cool.

Auswärts waren Minimum 2000 Unioner unterwegs. Auswärts wurde man immer mit „Schweine Berlin“, „Juden-Berlin“ und „Scheiß Union“ begrüßt. Denke, einen Tick netter als der BFC. Generell war man als Berliner in der Zone nicht gern gesehen. Wir haben das Klischee bedient, indem wir „Wir ham Bananen und ihr nicht“ gebrüllt haben.

Gegen uns ist kaum ein feindlicher Mob angetreten, wir waren einfach zu viele. Blockstürmung war ein beliebtes Ding. Doch die Leute, die sich den gewaltsuchenden BFCern in den Weg gestellt haben, waren sehr wenige. Da kamen auf einmal Klopper, die nur Randale gesucht haben. Es kam so weit, dass Unioner die S-Bahn-Türen mit Fahrradketten versperrten, um nicht von BFCern am Alex angegriffen zu werden. Die BFCer waren völlig durchorganisiert. Diese hundertfünfzig Leute, da kannte sich jeder. Die standen als Block wie ’ne Mauer. Bei den BFCern hat Mode immer ’ne große Rolle gespielt. Das fing auch bei Union an.

Bestimmte Jacken, bestimmte Jeans. Obwohl Union eher der Bluesverein war. Lange Haare, Parka, Römerlatschen, Hirschbeutel. Ich gehörte zu denen, die Turnschuhe und Westklamotten trugen. Man wollte sich von den Kuttenträgern abheben und dem westlichen Vorbild angleichen. Früher hat man sich mit den Herthanern gut verstanden, die haben aus England Fanmagazine mitgebracht. Für die war das im Osten schön. Bei denen war bullenmäßig alles abgecheckt. Im Osten gab’s Abenteuer. Ich war für Hertha, aber meinen Aufnäher „Freunde hinter Stacheldraht“ hab ich nur heimlich getragen.

Wir waren anti DDR. Gegen den scheiß Osten. Aber für nüscht. BFC machte auch jute Sprüche: „Mein Opa war bei der SS, mein Vater bei der Stasi, ich bin beim BFC.“ Die DDR-Nationalmannschaft war mir scheißegal. Die westdeutsche nicht.

Drei, vier Leute von uns wurden 1986 in Aue mitgenommen, ich auch. Ein halbes Jahr haben weder meine Frau noch meine Mutter gewusst, wo ich war. Ich hatte keine Schreiberlaubnis. Der Osten brauchte dafür keine Begründung. Der wollte Stärke demonstrieren, weich klopfen, sechs Monate U-Haft.

Ich kam immer weiter von Berlin weg. Bin dann sogar in der U-Haft Sondershausen gelandet. Verhöre fanden nicht mehr statt, nur schmoren auf kleiner Flamme. Ich hatte einen Ausreiseantrag laufen, gestellt ein Jahr vorm Knast. Ich war für die ein politischer Krimineller. Wegen Körperverletzung, Beleidigung und angeblicher Sachbeschädigung gab es ein Jahr Knast. Die beiden Bullen stotterten sich vor Gericht einen zurecht.

Ich hab die volle Zeit abgesessen. Saß in Maxhütte ein, konnte durchs Zellenfenster nach Bayern rüberkicken. War nicht so einfach unter 700 Sachsen. Als BFCer hätten die mich umgelegt.“

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