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Sport: Bierchen in der Kabine

Der Spengler-Cup ist ein Mythos im Eishockey

Berlin – Noch in den siebziger Jahren waren Eishockeypartien beim Spengler-Cup in der Schweiz oft ein Spiel mit dem Wetter. So sind die Erinnerungen des ehemaligen Torhüters von AIK Stockholm und heutigen Trainers des deutschen Drittligisten Crimmitschau, Gunnar Leidborg, an das Turnier in Davos vor allem von den Witterungsbedingungen geprägt. „Wir haben uns warm gelaufen und sind plötzlich in die Kabine geflüchtet, weil es schneite“, erzählt der Schwede. „20 Minuten später ging es wieder raus. Wir haben kurz gespielt, dann schneite es wieder. Also wieder in die Kabine.“ Dort wurden die Wartezeiten dann auch schon mal mit einem Bierchen überbrückt, sagt Leidborg. „Irgendwann glaubte man ja nicht mehr daran, dass es weitergehen würde.“ Aber es ging weiter, irgendwie, immer. Auch wenn die Spiele sich über Stunden zogen. Inzwischen kann so etwas nicht mehr passieren. Das Stadion hat längst ein Dach. Der 79. Spengler-Cup, der gestern begann, wird also wie geplant durchgezogen.

Um das Turnier, das nach einem Davoser Tuberkulose-Arzt benannt wurde, gibt es viele Geschichten. Der Spengler- Cup hat eine Tradition, die es auf Klubebene im europäischen Eishockey sonst nicht gibt. Europapokal-Wettbewerbe wurden umstrukturiert, abgeschafft und wieder eingeführt – der Spengler-Cup dagegen ist eine Konstante. Das Turnier beginnt seit Jahrzehnten am zweiten Weihnachtstag und endet mit dem Endspiel am 31. Dezember. Über den sportlichen Wert lässt sich allerdings streiten: Ein Team Canada misst sich mit Gastgeber HC Davos und drei anderen Vereinen, die sich wegen des Programms von bis zu fünf Partien in sechs Tagen mit Gastspielern verstärken dürfen. Dieses Jahr spielen Sparta Prag, Metallurg Magnitogorsk (Russland) und die Eisbären in Davos.

Die Eisbären setzen damit eine Berliner Tradition fort, die der Schlittschuh-Club begann. 1924 kam der Deutsche Rekordmeister zu seinem ersten von drei Spengler-Cup-Siegen. Und geht es nach Eisbären-Trainer Pierre Pagé, dann werden die Berliner bei ihrer Turnier-Premiere gleich mal den Gesamtsieg holen: „Wir wollen den Cup unbedingt gewinnen.“ Vielleicht spielt bei dieser Zielsetzung auch Eitelkeit eine Rolle: Beim Schweizer Klub Ambri-Piotta wurde der Kanadier wegen Erfolglosigkeit entlassen, nun kehrt er als Coach des Deutschen Meisters in die Schweiz zurück.

Bei Pagés Spielern scheint der Ehrgeiz ebenfalls ausgeprägt zu sein. Tomas Pöpperle zum Beispiel ist „motiviert“. Denn Pöpperle trifft auf seinen früheren Arbeitgeber Sparta Prag, für den er 2004 beim Spengler-Cup im Tor stand. Und Stürmer Stefan Ustorf sagt: „Beim Spengler-Cup bekommst du einen Adrenalin-Schub. Da läufst du automatisch schneller.“ Ustorf muss es wissen. Schließlich hat er 2001 mit Mannheim in Davos gespielt. Der damalige Adler-Trainer Bill Stewart nahm das Turnier allerdings nicht ernst. Deftige Mannheimer Niederlagen waren die Folge, Stewart hatte einige Spieler für die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) geschont. Denn 1999 hatten die Kölner Haie mit viel Aufwand den Spengler-Cup gewonnen, aber vier Monate später das DEL-Finale verloren.

Für die Berliner beginnt das Turnier heute mit dem Spiel gegen Magnitogorsk. Und obwohl sie unbedingt den Turniersieg wollen, ist es für sie genauso wichtig, den Spengler-Cup ohne Blessuren zu überstehen. Denn in der DEL geht der Spielbetrieb weiter, und für die Eisbären wäre es fatal, wenn sie bei der Rückkehr in den Liga-Alltag mit zu wenig Substanz in die Partien gehen müssten. Allerdings ist den Berlinern auch bekannt, dass eine bewusste Zurückhaltung beim Spengler-Cup später nicht automatisch den Titelgewinn in der DEL garantiert. Mannheim kassierte 2001 in Davos zwar kühl kalkuliert hohe Niederlagen – Deutscher Meister wurden später aber die Kölner Haie. Im Finale besiegten sie Mannheim.

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