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Wunderkind oder Problemfall? Bei Robert Griffin III scheint eher letzteres der Fall zu sein.

© dpa

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: Robert Griffin und die Sinnfrage der Washington Redskins

Im Draft haben die Washington Redskins viel investiert, um Robert Griffin III verpflichten zu können. Nun verzweifelt das Traditionsteam aus der NFL an seinem Quarterback.

Brian Baldinger, 55, ist schon sehr lange im Football-Geschäft. Zuerst als Spieler in der NFL, seit Ende der Neunziger dann als Fernseh-Fachmann. Am Sonntag schüttelte aber selbst Baldinger den Kopf. „In all den Jahren habe ich schon einige Pressekonferenzen besucht, doch ich habe niemals einen Trainer so hart seinen Quarterback kritisieren gehört“, sagte er.

Was war passiert? Nach der blamablen 7:27-Heimniederlage gegen die alles andere als übermächtigen Tampa Bay Buccaneers holte Washingtons Trainer Jay Gruden zum Rundumschlag gegen seinen wichtigsten Spieler, Robert Griffin III, genannt RG III, aus. „Robert hat einige grundlegende Mängel“, sagte er und ging ins Detail. „Seine Fußarbeit war unterdurchschnittlich. Er wählte three-step drops wenn er fünf hätte nehmen müssen. Er nahm einen one-step drop wenn er hätte drei nehmen müssen. In dieser Häufigkeit darf das nicht passieren.  Er ging nach vorne, wenn er nicht nach vorne gehen sollte und geriet dann unter Druck. Er hat das Spiel mehrmals falsch gelesen. Das war nicht mal ansatzweise gut genug für das, was wir von der Quarterback-Position erwarten.“

Die anwesenden Journalisten trauten ihren Ohren nicht, zumal sich Gruden kaum beruhigen wollte. Angesprochen auf Griffins Kritik an den Teamkameraden („Ein guter Quarterback ist nur so gut wie seine Mitspieler“) sagte Washingtons Trainer: „Zuerst sollte Robert einsehen, dass er sich vor allem um sich selbst sorgen muss und um niemand anderen. Das ist mein Job.“

Griffins Ersatz erhielt eine Chance - und versagte kläglich

Zwei Tage später entschuldigte sich Gruden zwar für seine barschen Worte, aber das könnte zu spät sein. Kaum jemand in Washington geht davon aus, dass sich das Verhältnis zwischen Trainer und Quarterback noch einmal bessern wird. Zumal die Probleme zwischen beiden schon länger bestehen. Während Griffins Verletzungspause vermied Gruden beharrlich, dem Quarterback eine Stammplatzgarantie für dessen Rückkehr auszusprechen. Beobachter vermuteten, dass der neue Trainer von vorne herein Ersatzmann Kirk Cousins bevorzugen würde und hoffe, dass dieser Griffins Verletzung nutze, um sich in den Vordergrund zu spielen. Daraus wurde nichts, Cousins versagte kläglich und konnte kein einziges Spiel als Starter gewinnen.

Gruden blieb nichts anderes übrig, als Griffin wieder aufzustellen. Dabei ist bekannt, dass der Trainer traditionelle Quarterbacks mit guter Übersicht und einem starken Wurfarm bevorzugt. Beides besitzt Griffin nicht. Er ist ein typischer Dual-Threat-Quarterback, der gern selbst mit dem Ball läuft.

Seit Sonntag ist die Fehde aus Sicht der Washington Redskins zur Sinnfrage geworden. Der Klub investierte vor zwei Jahren viel, um sich bei der Draft die Rechte an Griffin zu sichern. Washington gab seine höchsten Draft-Picks für 2012, 2013 und 2014 an die St. Louis Rams ab. Griffin sollte den chronisch erfolglosen Traditionsklub wieder zu Ruhm und Titeln führen. Experten prophezeiten ihm eine große Karriere.

Griffin spielt noch immer wie ein College-Quarterback

Zuerst sah es auch ganz gut aus, in seiner ersten Saison führte Griffin die Redskins in die Play-offs und wurde unter den Offensivspielern zum Neuling des Jahres in der NFL gewählt. Beim Ausscheiden gegen Seattle verletzte er sich schwer am Knie, spielte aber gegen Anraten der Ärzte und Trainer weiter. Die anschließende Diagnose war ernüchternd: Kreuzbandriss. Griffin kehrte zu früh zurück, spielte trotzdem den Großteil seiner zweiten Saison und war nicht mehr zu erkennen. Langsam, launisch und mit vielen Fehlwürfen war er ein Grund, dass die Redskins gerade einmal drei Spiele gewannen. Nebenbei überwarf sich Griffin mit dem damaligen Trainer Mike Shanahan. Shanahan gehört zu den erfolgreichsten Coaches in der NFL, mit den Denver Broncos gewann er zwei Mal den Super Bowl. An Griffin und dessen Anflügen von Egoismus verzweifelte aber auch er. Am Ende sprachen die beiden kaum noch miteinander.

Shanahans Entlassung war ein klares Bekenntnis zu Griffin, doch auch Nachfolger Jay Gruden verzweifelt an dem Quarterback. Die Redskins sehen sich nun mit der Entscheidung konfrontiert, ob sie den zweiten Trainer in drei Jahren für Griffin opfern oder langsam von ihrem Quarterback abrücken. Die Saison 2014 ist gelaufen, mit drei Siegen und sieben Niederlagen hat Washington keine Chance mehr auf die Play-offs. Was aus Sicht des Klubs allerdings erschreckender ist: Im Vergleich zu anderen Spielmachern wie Andrew Luck, Nick Foles oder Russell Wilson, die ebenfalls 2012 in die NFL kamen, wirkt Griffin noch immer wie ein College-Quarterback.

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