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Birgit Fischer

© AFP

Birgit Fischer: Der goldene Wasserweg ist zu Ende

Deutschlands erfolgreichste Olympionikin, ist nur noch Geschäftsfrau. Ins Kajak setzt sie sich nur noch in ihrer Freizeit.

Birgit Fischer ist etwas außer Puste, sie kommt gerade vom Dach, die Handwerker verzieren zurzeit den Giebel ihres Hauses in Brandenburg. Das schickt sie zur Erklärung vorweg, denn Birgit Fischer außer Puste erlebt man sonst allenfalls nach einem großen Endspurt im Kanu. Auf einen letzten großen Endspurt wird sie nun jedoch verzichten, den zu den Olympischen Spielen in Peking. „Ich habe schlichtweg keine Zeit mehr“, sagt sie, „drei Tage Training reichen einfach nicht.“

Mit drei Tagen Training Olympiasiegerin werden, das wäre selbst für Birgit Fischer zu schwer geworden. Sonst schien beim Kanufahren keine Herausforderung zu groß für sie zu sein. Mit 42 Jahren setzte sie sich 2004 noch einmal ins Boot und paddelte als Schlagfrau mit dem Kajak-Vierer in Athen zu Olympiagold. Es war ihre achte Goldmedaille bei Olympischen Spielen, keine Deutsche und kein Deutscher hat bisher mehr gewonnen. Weil es in Athen so gut geklappt hatte, hielt sich Fischer noch eine Tür nach Peking offen. „Ich habe es die letzten zwei Jahre wirklich probiert. Aber der Kopf hat über Lust und Leidenschaft gesiegt“, sagt sie.

Es gehört zum Phänomen Birgit Fischer, dass nicht irgendeine entzündete Sehne oder ein abgenutztes Gelenk ihre Karriere beenden. Ihre neue Aufgabe löst vielmehr ihre alte ab. 2004 hatte sich Fischer selbständig gemacht. Sie bietet Kanu-Touren und Training an, hält Vorträge und verleiht Boote. „Ich war nie nur Vollblutsportler“, sagt die 45-Jährige.

Das muss man ihr nicht unbedingt abnehmen, denn wenn sie etwas erreichen wollte im Sport, dann biss sie sich an ihrem Ziel fest. Ohne ihren bedingungslosen Willen hätte sie wohl nicht so viel erreicht. 1980 gewann sie Moskau im Einer-Kajak ihre erste olympische Goldmedaille, acht Jahre später in Seoul kamen die nächsten beiden dazu.

Wenn sie von ihren Erlebnissen in Barcelona 1992 erzählt, treten zwei Seiten von ihr hervor: ihr Erfolg und ihr Eigensinn. Es waren die Spiele von Barcelona, die ihr einerseits noch viel mehr Respekt einbrachten, weil sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes zurückkam. „Barcelona zählt zu meinen schönsten Erlebnissen, es waren offene, freie, fröhliche Spiele und ich habe nach zwölf Jahren wieder im Einer gewonnen.“ Mit Barcelona verbindet sie jedoch noch etwas anderes: „nur“ Zweite im Vierer, dem Flaggschiff des Kanurennsports. „Ich saß nicht auf der Schlagposition, sondern musste mich auf Position drei setzen. So haben wir Silber statt Gold gewonnen.“

Vom Rhythmus einer Kollegin abhängig zu sein, nicht selbst die Schlagzahl vorzugeben, darauf konnte sich Fischer nur schwer einstellen. Der Zank mit Kolleginnen und Trainern wurde zum ebenso festen Bestandteil ihrer Karriere wie ihre Medaillen. Als sie sich auch noch privat mit dem damaligen Cheftrainer Josef Capousek verband, kam es einigen ihrer Mitfahrerinnen so vor, als ging im deutschen Kanurennsport nichts mehr ohne die Zustimmung von Birgit Fischer. Sie hatte jedoch stets ein starkes Argument auf ihrer Seite: den Erfolg.

Ihr Eigensinn hat ihr vieles im Sport leichter gemacht, auf der Fahrt nach Peking war er ihr jedoch wohl auch im Weg. Sie wollte ihre Firma nicht für den Sport vernachlässigen. „Ich wollte niemand einstellen. Ich wollte ein Ein-Frau-Betrieb bleiben“, sagt sie. So ging ihr Zeit verloren, die sie fürs Training gebraucht hätte. Zumal sie in Deutschland bei den Qualifikationen für Olympia auf starke Konkurrentinnen getroffen wäre – unter anderem auf ihre Nichte Fanny Fischer, die im Zweier-Kajak 2007 Weltmeisterin wurde. Wenn ihre Nichte in Peking möglicherweise um Gold fährt, wird die Tante als Kolommentatorin für das ZDF arbeiten.

Es gibt allerdings kaum Sportler, die nach dem Rückzug aus dem Leistungssport ihrem Sportgerät so verbunden bleiben wie Birgit Fischer. Das hängt zum einen an den Kanu-Dienstleistungen, die sie anbietet. Zum anderen wird sie selbst immer weiter paddeln. Um sich mit anderen zu messen, oder einfach als Naturerlebnis mit ihrer Kamera. „Ich sage nur, dass ich jetzt nicht mehr in der deutschen Olympiamannschaft stehe. Aber es gibt auch noch andere Wettkämpfe.“ Auf dem Meer ist sie schon gegen andere gepaddelt, für die nächste Zeit plant sie Freizeit-Touren durch Schweden und Norwegen, „da bin ich noch nie gepaddelt“. Sie hat nun Zeit gewonnen durch ihren Verzicht auf Olympia. Sie wird sie sicher im Boot verbringen.

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