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Sport: Blick nach vorn und durch

Lukas Podolskis Unbekümmertheit auch in Krisenzeiten half ihm nicht nur im Spiel in der EM-Qualifikation gegen Irland

Lukas Podolski pflegt die Kultur der Fünf- Worte-Sätze wie kein zweiter deutscher Fußballspieler. Also, wie war das mit dem Freistoß am Samstagabend in Stuttgart gegen Irland, im ersten Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2008? „Das war alles so abgesprochen.“ Dass Mannschaftskapitän Michael Ballack sich den Ball zurecht legt und Sie schießen? „Keiner hat was dagegen gesagt.“

Der Freistoß führte zum 1:0-Sieg über die Iren, und er verrät viel über Lukas Podolski. Er war viel gelaufen, hatte sich drei Chancen herausgespielt und sie ein wenig überhastet vergeben. Es gibt Spieler, die in solchen Situationen den Mut verlieren. Podolski gehört nicht dazu. Michael Ballack hat später erzählt, dass eigentlich er den Freistoß schießen wollte. „Aber der Poldi hat sich gut gefühlt, und halbrechts, das ist nun mal seine Schussposition.“ Podolski dachte nicht an die vergebenen Chancen, sondern nur an die nächste. Seinen in die linke Ecke platzierten Schuss hätte der großartige irische Torhüter Shay Given wahrscheinlich ohne Probleme pariert, aber Robbie Keane hielt seinen Fuß dazwischen, und der Ball schlug links ein. Ein wenig glücklich, oder? „Ich habe den Ball im Netz gesehen.“ Das ist eine für Podolskis Verhältnisse ungewöhnlich lange Antwort.

Es ist diese Unbekümmertheit, die den 21-Jährigen so wertvoll macht. Sagt Bundestrainer Joachim Löw und lässt ihn spielen, egal was die anderen sagen. Podolski hat in der Nationalmannschaft eine Stammplatzgarantie. Das war schon so bei Jürgen Klinsmann in den ersten, mühsamen Weltmeisterschaftstagen. Podolski bedankte sich mit drei Toren und wurde zum besten Nachwuchsspieler der WM gewählt. Beim Freundschaftsspiel gegen Schweden, dem ersten nach der WM, stand er in der Anfangsformation, obwohl er fünf Tage zuvor beim Bundesliga-Auftakt 88 Minuten lag auf der Bank gesessen hatte. Vor dem ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Irland war Podolski beim FC Bayern immer noch nicht über den Status eines Ergänzungsspielers hinausgekommen, seine Nominierung für die Nationalelf aber stand nie in Frage. Das Tor gegen Irland war sein 21. in 34 Länderspielen, und das mit gerade 21 Jahren. Nicht mal Gerd Müller, Urvater aller Torjäger, war so früh so gut.

Ist es nicht eher ungewöhnlich, dass man sich im Nationalteam für seinen Vereinstrainer empfehlen darf? Podolski schaut irritiert zurück. „Ich muss mich nicht empfehlen.“ Der Trainer weiß, was Sie können? „Da bin ich mir sicher.“ Podolski hat kein Problem damit, dass er noch nicht richtig angekommen ist in der Welt des FC Bayern. Die WM hat Kraft gekostet und nach Entspannung verlangt, als die anderen sich schon auf die neue Saison vorbereiteten. Erst zwei Wochen vor dem ersten Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund stand er das erste Mal mit seinen neuen Kollegen auf dem Trainingsplatz. Das heißt, mit Stehen war nicht viel, Trainer Felix Magath ließ ihn laufen, viel laufen. Gegen Dortmund saß Podolski mit schweren Beinen auf der Bank und durfte erst in den letzten beiden Minuten mitspielen. Auch das zweite Spiel in Bochum erlebte er aus der Perspektive des Zuschauers. Als die mitgereisten Bayern-Fans nach dem Neuzugang riefen, tat ihnen Magath den Gefallen und schickte den Stürmer schon nach einer halben Stunde zum Warmlaufen in die Kurve. Es wurde eine ausgedehnte Gymnastiksitzung, denn erst zwölf Minuten vor Schluss schickte Magath den Stürmer auf den Platz.

Das sind neue Erfahrungen für Lukas Podolski. Beim 1. FC Köln hat er immer gespielt, auch wenn er angeschlagen war. Beim FC Bayern muss er sich hochdienen. In drei Bundesligaspielen ist er dreimal eingewechselt worden. Erst einmal hat er das Bayern-Trikot über die komplette Spielzeit getragen. Das war vor zwei Wochen bei der demütigenden 0:4-Niederlage beim Freundschaftsspiel in Barcelona. Als Magath später zugab, der FC Bayern sei auf internationalem Topniveau derzeit nicht konkurrenzfähig, durfte Podolski das auch auf sich beziehen. Auf dem Münchner Boulevard wurde schon spekuliert, es werde wohl nicht lange gut gehen zwischen dem besten deutschen Klub und dem begehrtesten deutschen Stürmer. Blödsinn, knurrte Manager Uli Hoeneß, schließlich habe der FC Bayern Podolski einen Vierjahresvertrag gegeben, „und keinen über zwei Wochen“.

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