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Wer hat den hier das Sagen? Trainer Boris Becker (li.) mit seinem Spieler Novak Djokovic. Der Serbe fordert, dass sein Trainer sich in der Öffentlichkeit zurückhält.

© dpa

Wimbledon: Boris Becker, der Plauderer

Deutschlands Tennislegende Boris Becker, jetzt der Trainer von Novak Djokovic, steht vor dem Start des Turniers in Wimbledon in der Kritik – auch wegen unbedachter Äußerungen über das Verhältnis seines Schützlings zu Roger Federer.

Der Körper von Boris Becker ist zwar „ein Schlachtfeld“, wie er es gerne nennt, aber dennoch überstand der 47-Jährige kürzlich einen echten Marathon. Allerdings trug er dabei einige Schrammen davon. Denn seine Tingelei durch die unzähligen britischen Fernsehstudios, Radiosender und Zeitungsredaktionen, die Becker leidlich benutzte, um sein neues Buch zum 30. Jubiläum seines Wimbledonsieges kräftig zu bewerben, blieb nicht ohne verbale Entgleisungen. Eigentlich schienen die Zeiten vorbei zu sein, in denen Becker zielsicher die Fettnäpfe ansteuerte.

"Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass Roger Federer und Novak sich nicht sonderlich mögen", sagte Becker

Besonders, da ihm sein Chef Novak Djokovic deutlich zu verstehen gegeben hatte, seine Plauderlaune in der Öffentlichkeit zu drosseln und sich auch in den sozialen Netzwerken zu mäßigen. Das hatte Becker pflichtbewusst getan, seit er zum Saisonbeginn 2014 den Trainerjob beim serbischen Weltranglistenersten übernahm. Doch die Versuchung war nun wohl zu groß gewesen, schließlich schwelgt Becker einfach zu gerne in den guten alten Zeiten und genießt es, dass ihn die Engländer so bedingungslos ins Herz geschlossen haben. Ganz anders eben als seine eigenen Landsleute. Und endlich stand wieder er selbst einmal im Mittelpunkt, als Tennis-Legende. Sein so lange auf Sparflamme köchelndes Ego muss sich danach gesehnt haben, da gab Becker dem narzisstischen Impuls nach. „Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass Roger Federer und Novak sich nicht sonderlich mögen“, plauderte Becker aus – und schon hatte er den Ärger.

Schlechter hätte sein Timing für diesen Ausrutscher auch kaum sein können, denn Djokovic kehrt heute als Titelverteidiger auf den Centre Court von Wimbledon zurück. Und das im ersten Match nach seiner herben Niederlage im Finale der French Open gegen Stan Wawrinka. Dann muss sich Djokovic in der ersten Runde auch noch mit Philipp Kohlschreiber herumschlagen. „Schlimmer geht es kaum“, sagte der Serbe. Und ganz sicher war er auch von Becker ,not amused’. Der hatte erst mal einen Verbal-Return von Federer kassiert, der von seinem Kindheitsidol mächtig enttäuscht war. „Es ist immer gefährlich, wenn du viel redest: Manchmal sagst du Dinge, die du nicht sagen solltest“, sagte der 33-jährige Schweizer, dem Becker auch bescheinigte, gar nicht so nett zu sein, wie er immer tue. „Ach, Becker hat wirklich keine Ahnung“, war Federers Kommentar. Eiligst ruderte der Leimener via Twitter zurück, schrieb von „Lügen“ und natürlich war er da falsch zitiert worden.

Hat Djokovic die Niederlage von Paris schon verdaut?

Mehr Mühe dürfte Becker gehabt haben, die Seele seines Spielers zu besänftigen. Er hatte zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, das schmeckt Djokovic nicht. Es geht schließlich um ihn, um die Jagd nach Major-Titel Nummer neun. Und das wird nach der Enttäuschung aus Paris nicht leichter. Er hatte die große Chance auf den Karriere-Grand-Slam verpasst, das schmerzte. „Es war schwer. Ich habe einige Tage gebraucht, um das Finale mental zu verdauen“, sagte Djokovic.

Anders als die übrigen Titelkandidaten hatte der 28-Jährige kein Vorbereitungsturnier gespielt. Ein Risiko, das im letzten Jahr aufgegangen war. Doch da hatte Becker alle Fäden im Hintergrund in der Hand gehabt, glänzte als Einflüsterer und als Insider. Und der die Aura des Champions auf Djokovic übertrug. Nun jedoch wurde Becker erstmals offen attackiert. Der serbische Davis-Cup-Kapitän Bogdan Obradovic machte ihn für die Niederlage in Paris mit verantwortlich, denn Becker habe desinteressiert auf der Tribüne gewirkt und Djokovic im Match nicht genug positive Energie gegeben. Zudem hält Obradovic das Team des Serben für viel zu groß. Er habe Djokovic gefragt, ob er nicht auch noch einen Saxophon-Lehrer anheuern wolle.

Beckers Trainer-Image ist angekratzt, doch er lässt die Kritik an sich abprallen. Dem „Esquire“-Magazin sagte er: „Wenn man älter wird, überlegt man sich weiser, welche Worte man benutzt.“

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