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Bankdrücker. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc bleibt lieber im Hintergrund und legt nicht sonderlich viel Wert auf öffentliche Meriten.

© dapd

Borussia Dortmund: Michael Zorc ist Susi Sorgsam

Fan, Profi, Manager: Michael Zorc hat bei Borussia Dortmund schon alles erlebt. Aber solch eine Saison des Träumens noch nie. Ein Besuch beim stillen Meistermacher.

Wenn Michael Zorc aus seinem Büro am Rheinlanddamm über die viel befahrene B1 schaut, bleibt sein Blick unweigerlich an einem mächtigen Betonklotz hängen. Das Dortmunder Stadion mit seinen sechs riesigen gelben Stahlträgern ist das wuchtigste Gebäude der größten Stadt im Ruhrgebiet. Die Muße, dieses Panorama zu genießen, nimmt sich der Sportdirektor von Borussia Dortmund eher selten. „Ich bin so im Tagesgeschäft verwurzelt, dass ich mir keine philosophischen Gedanken über den Ausblick mache“, sagt er. Man darf den 48-Jährigen getrost als bodenständig charakterisieren.

Dabei könnten die Perspektiven den Realisten durchaus ins Schwärmen geraten lassen: Borussia Dortmund führt die Tabelle der Bundesliga mit komfortablem Vorsprung an, neun Spieltage vor Saisonende haben sich auch die Macher des Klubs dazu durchgerungen, das Wort Meisterschaft aus der Tabuzone herauszulösen. Zorc spricht von einer „aufregenden Zeit, denn wir erleben hier gerade eine Mannschaft, die schönen und erfolgreichen Fußball spielt“. Das ist unter anderem sein eigener Verdienst. In Dortmund ist Zorcs Reputation makellos, und auch außerhalb wird immer intensiver wahrgenommen, dass der stille Manager ganz offenbar einen ziemlich guten Job macht.

Dortmunds Sportdirektor hat in den vergangenen Jahren einen ähnlich signifikanten Imagewechsel vollzogen wie sein Arbeitgeber. Während der börsenorientierte Fußballklub Borussia Dortmund den Turnaround vom verschwendungssüchtigen Pleitekonzern zum allerorts bewunderten Vorzeigeprojekt schaffte, stieg Zorc in der öffentlichen Wahrnehmung vom Fehleinkäufer ohne Profil zum Architekten des schwarz-gelben Märchens auf. Zwischen dem umtriebigen Geschäftsmann Hans-Joachim Watzke als Geschäftsführer der KGaA und dem Entertainer Jürgen Klopp auf der Trainerbank hat sich Zorc als umsichtige Führungsfigur im Sportbereich positioniert.

Immer wieder betont das Führungstrio des BVB die große Einmütigkeit in der internen Zusammenarbeit. Tatsächlich sieht es so aus, als hätten sie in Dortmund eine Antithese gefunden zum aufgeregten Habitus der Konkurrenz aus Schalke, Hamburg oder München, wo die täglichen Schlagzeilen durch immer neue Querelen und Personaldebatten befeuert werden. „Was wir hier versuchen“, betont Zorc, „ist ein komplett anderer Entwurf, der für mich der richtige ist.“

Dortmund hat sich frei gemacht vom Überlebenskampf, der den Klub vor Jahren in seinen Grundfesten erschütterte. In der Ära danach hat sich Zorc freigeschwommen. Dabei bleibt er jemand, der seine Qualitäten nicht nach außen tragen mag. „Ein pragmatisch angelegter Mensch“ sei er, wie er selbst sagt. Wichtiger als die öffentlichen Meriten ist ihm die interne Rückendeckung. „Er ist akribisch, gut vernetzt, fleißig und verfügt über einen großen Erfahrungsschatz“, sagt Geschäftsführer Watzke.

Wer das Schaffen des gebürtigen Dortmunders in zwei Worten zusammenfassen müsste, würde die Begriffe Kontinuität und Nachhaltigkeit wählen. Seit 1998 ist er in seiner Position beim BVB im Amt und damit der dienstälteste Sportdirektor der Liga. Bereits als Jugendlicher stand er auf der Südtribüne und feuerte seinen Klub an. 1978 wechselte er in der B-Jugend vom TuS Eving-Lindenhorst zur Borussia und wurde dort mit 463 Spielen (131 Tore) zum Rekordspieler. Seit 33 Jahren ist „Susi“, wie ihn einst Mitspieler Rolf Rüssmann taufte, beim BVB. Dafür halten sie Zorc in Dortmund in Ehren. Er hat den gleichen Status wie Uwe Seeler in Hamburg oder Charly Körbel in Frankfurt am Main: Zorc ist das Gesicht seines Vereins.

Wer so viel Identifikation vorlebt, kann überzeugend argumentieren, wenn es darum geht, Spieler langfristig zu binden. Seine Hausaufgaben hat Dortmunds Sportdirektor gemacht. Die Verträge aller Leistungsträger wurden peu a peu bis 2013 oder 2014 verlängert, den defensiven Mittelfeldmann Sven Bender hat der BVB sogar bis 2016 unter Vertrag. Auch Zorc selbst hat sich langfristig an seinen Klub gebunden, „du kannst nicht Wasser predigen und Wein saufen“, sagt er dazu. Wer anders könnte einen Wert wie Vereinstreue überzeugender vorleben? Dass Michael Zorc eines Tages von seinem Büro aus ein anderes Stadion als das Dortmunder sehen könnte, „das kann und will ich mir gar nicht vorstellen“.

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