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Boxen: Spektakel mit Makel

Nikolai Walujew bleibt Box-Weltmeister, aber beim Kampf gegen Evander Holyfield bleiben dem Riesen aus Russland nicht zum ersten Mal Glanz und Gloria verwehrt.

Wilfried Sauerland und Don King wollten in der Nacht zum Sonntag in Zürich ihre deutsch-amerikanische Boxpromotoren-Partnerschaft einmal mehr mit einem schillernden Abend zelebrieren und hatten sich dafür einen hübschen Plan zurecht gelegt: Ihr Weltmeister Nikolai Walujew, der bislang einfach nur groß, aber nicht besonders wohl gelitten ist, kämpft gegen einen der Helden des Geschäfts. Walujew gewinnt natürlich und erntet dank des Namens seines Herausforderers Evander Holyfield Glanz und Gloria. Damit ist für Sauerland und King die Grundlage für ein weiteres gutes Geschäftsjahr mit ihrem russischen Riesen-Menschen gelegt.

Es schien ein perfekter Plan zu sein, genau zugeschnitten auf den boxerisch limitierten Nikolai Walujew. Dieser hatte zwar zunächst noch ein wenig gegen sein Promotoren-Duo aufbegehrt, wollte nicht gegen den alten Mann kämpfen, verlangte nach einer sportlich hochwertigeren Herausforderung und meinte, dass ihn ein solcher Kampf nicht weiterbringen könnte. Schließlich gab er nach und tat wie ihm geheißen. So weit funktionierte dann auch alles: 12 500 Zuschauer in Zürich und im Schnitt 7,42 Millionen an den Fernsehbildschirmen verfolgten das Duell des amerikanischen Altmeisters mit dem 24 Zentimeter größeren und knapp 40 Kilogramm schwereren Walujew. Am Ende sprachen die Kampfrichter dem Russen den knappen Sieg zu, er behält also seinen WBA-Titel. Sauerland und King können weiterhin Geld mit ihm verdienen.

Und doch hatten sich ein paar eklatante Schönheitsfehler in das Spektakel gemogelt. Gegen den 46 Jahre alten Evander Holyfield offenbarten sich die Schwächen von Nikolai Walujew deutlicher denn je. Der Weltmeister ist tatsächlich weiter nichts als groß und schwer. Holyfield, dessen große Kämpfe gegen George Foreman, Riddick Bowe, Mike Tyson oder Lennox Lewis seit fast zehn Jahren Geschichte sind, wirkte neben Walujew wie ein spritziger Jungspund. Beweglich und aktiv. Mit schönen, flüssigen Bewegungen.

Der Weltmeister dagegen sah aus wie eine schlecht animierte Zeichentrick-Figur. Steif und ungelenk, unfähig, seine Größen- und Reichweitenvorteile auszunutzen. Wenn er seine Pranken mal auf die Reise schickte, landeten sie hilflos in der Luft, da Holyfield längst davongetänzelt war. Man wünschte sich sehnlichst einen zehn Jahre jüngeren Holyfield in den Ring, einen, der nicht nur boxerische Klasse, sondern auch die physische Stärke der Jugend mitbringt. Einen, der seine durchaus gelungenen Angriffe auf Walujew häufiger wagt und vollendet.

„Ein paar Mal habe ich klare Treffer landen können, auch wenn es angesichts seiner Größe und Masse schwierig ist, an ihn heranzukommen“, sagte Holyfield. So kamen sie zu selten, um den Ringrichtern die Chance zu nehmen, dem Russen seinen Titel zu lassen. Deshalb musste sich Holyfield für seine Leistung mit der Gunst des Publikums begnügen. Da es in der Gegenwart des Schwergewichts-Boxens neben den Klitschko-Brüdern an Größen mangelt, darf der 46-Jährige aber wohl weiter davon träumen, zum fünften Mal in seiner Karriere den Titel zu erobern und George Foreman als ältesten Weltmeister abzulösen.

Nikolai Walujew hingegen bleibt wieder nur der Gürtel. Glanz und Gloria brachte ihm der Triumph über den Veteranen Holyfield nicht, denn dafür wäre ein Sieg durch Boxen und nicht ein Sieg durch dastehen nötig gewesen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Wilfried Sauerland und Don King so lange Geld mit rund um Nikolai Walujew inszenierten Shows verdienen werden, bis ein Gegner kommt, der sich nicht von der Masse an Mensch einschüchtern lässt, der die Langsamkeit des Riesen zu nutzen weiß und ihn klassisch ausboxt. Ruslan Tschagajew ist das im April 2007 schon einmal gelungen, vielleicht wird er es wieder schaffen, wenn er im Frühjahr nach längerer Verletzungspause in den Ring zurückkehrt.

Vielleicht ist Nikolai Walujew aber auch weltfremd genug, um weiterhin nach einer wahren sportlichen Herausforderung zu rufen. Etwa nach einem Kampf gegen Wladimir oder Witali Klitschko.

Susanne Rohlfing[Zürich]

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