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Ich mach’ den Hirsch. Tyson Fury (rechts) will am Samstag Weltmeister Wladimir Klitschko auf die Hörner nehmen.

© Reuters/Smith

Boxen - Wladimir Klitschkos Herausforderer: Tyson Fury: Mätzchen und große Klappe

Der hünenhafte, unbezwungene und vorlaute Tyson Fury fordert Wladimir Klitschko heraus - im Vorfeld des Kampfes am Samstag mit allerlei Mätzchen.

Neulich hat Witali Klitschko seinem Brüderchen Wladimir einen Kurzbesuch in dessen Trainingslager abgestattet. Praktisch war das gleich in mehrfacher Hinsicht. Der 44-jährige Witali konnte die Glückwünsche des fünf Jahre jüngeren Wladimirs für seine Wiederwahl als Bürgermeister Kiews entgegennehmen. Anderseits machte sich ganz gut, dass Witali selbst mal geboxt hat und sich nicht zu schade war, zum Sparring in den Ring zu steigen.

Die Sache ist nämlich die: Wladimir Klitschko wird am Samstagabend (22.10 Uhr/RTL) vor 50.000 Zuschauern in der Düsseldorfer Fußballarena seine WM-Titel im Schwergewicht gegen den hünenhaften englischen Herausforderer Tyson Fury verteidigen. Es ist nicht irgendein Kampf um die Schwergewichts-WM, sondern die 28. für Klitschko. Niemand hat in der Königsklasse so oft um eine WM geboxt. Nicht mal der legendäre Joe Louis, der Klitschko eins aber noch voraus hat: den Rekord der längsten Regentschaft im Schwergewicht. Als der Amerikaner seinen Titel 1949 niederlegte, war er elf Jahre und acht Monate unbesiegt. Klitschko bringt es derzeit auf unbesiegte neuneinhalb Jahre als Champ.

Nicht weniger imposant ist in dieser Samstagnacht Klitschkos Gegner. Tyson Fury ist nun wahrlich ein Boxer in Kleiderschrankformat: 2,06 Meter groß, 120 Kilogramm schwer, seine Spannweite beträgt 2,16 Meter. Da muss selbst Klitschko passen mit seinen Maßen (1,98 m, 112 kg, 2,01 m). Aber gerade deshalb traf es sich gut, dass Witali Klitschko neulich vorbeischaute. Der Zwei-Meter-Mann ist körperlich von ganz ähnlichem Kaliber wie Fury. Witali liegt mit seinen Maßen zwischen den beiden Boxern.

Größe aber hat im Boxen nicht gleich etwas mit Länge zu tun. Der beste Beweis ist Mike Tyson, der bei einer Körpergröße von nur 1,78 Meter reihenweise die langen Kerls fällte. Dennoch gilt eine Größe zwischen 1,90 und 1,96 Meter als Idealmaß für einen starken und beweglichen Schwergewichtler. In diese Spanne fallen Champions wie Muhammad Ali (1,91), George Foreman (1,92), Larry Holmes (1,91), Ken Norton (1,91), Riddick Bowe (1,96) oder Lennox Lewis (1,95) – übrigens der letzte Schwergewichtler, der die WM-Gürtel der großen drei Weltverbände (WBC, WBA und IBF) auf sich vereinte.

Und das ist auch das Ziel Wladimir Klitschkos. Der besitzt derzeit zwar vier Gürtel (WBA, IBF, WBO und IBO), doch der mit dem meisten Renommee, der des WBC, fehlt dem 39-Jährigen. Der nämlich war jahrelang im Besitz seines Bruder Witali, ehe er diesen 2013 unbesiegt niederlegte und sich der Politik widmete.

Außerhalb der Szene ist Tyson Fury ein relativ unbeschriebenes Blatt. Dass er ein Hüne ist, ein vorlauter dazu, ist seit seinen öffentlichen Auftritten rund um diesen WM-Kampf bekannt. Ein Beispiel: „Klitschko hat soviel Charisma wie meine Unterhose.“ Pöbeleien kennt man von Boxern von der Insel, ihr marktschreierisches Auftreten gehört für sie dazu, schließlich sind sie meist an den Einnahmen aus Ticketverkäufen und Fernsehrechten beteiligt. Klitschko brachte das nicht aus der Ruhe. Fury sei ein „Patient“, der dringend „eine Therapie“ brauche, und der Kampf in einem Boxring „ist die beste Therapieform“, sagte Klitschko.

Aber der kahlköpfige Bursche mit der irisch-englischen Biographie kann auch einigermaßen boxen, zumindest genoss der Mann, der im August 1988 in Manchester geboren wurde, eine Ausbildung im olympischen Boxen. So gewann er für Irland 2006 Bronze bei der Junioren-WM, ein Jahr später für England Silber bei der Junioren-EM. Was den Brocken von der Insel aber gefährlich macht, ist sein Hang zum Auslagenwechsel. Fury ist ein sogenannter Switcher, einer, der während des Kampfes zwischen Normal- und Rechtsauslage, also zwischen rechter Schlaghand und linker wechselt. Seine 24 Profikämpfe konnte er allesamt gewinnen, davon 18 durch Knockout.

„Wir werden am Samstag alles im Ring sehen. Alter Champion gegen neuen Champion, alter Boxer gegen jungen Boxer“, sagte Fury, der gestand, ganz schön aufgeregt zu sein. „Es ist gut, dass er aufgeregt ist. Das bedeutet, dass er konzentriert sein wird. Das muss er auch“, sagte Klitschko, dessen Kampfrekord bei 64 Siegen in 67 Kämpfen, darunter 54 K.-o.-Siege steht.

Die enorme Körpergröße Furys sollte nicht das Problem für Klitschko sein. Es kam zwar bisher selten vor, dass er im Ring mal der „Kleine“ war, aber ganz unerfahren ist er nicht. Sowohl Tony Thompson (1,96) als auch Mariusz Wach (2,02) waren großgewachsene Gegner, hatten Klitschko aber am Ende nichts entgegenzusetzen gehabt. Beide Kämpfe gewann Wladimir Klitschko deutlich, wenngleich er mit dem Polen Wach über die Runden musste. Jedenfalls hat sich Witali Klitschko für den Kampfabend angemeldet. Er wird in der Ringecke seines Bruders stehen.

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