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Sport: Brandneues Gefühl

Es war im Juni vor vier Jahren als sich Heiner Brand genussvoll durch seinen breiten Bart strich. Brand hatte gerade erst das Amt des Bundestrainers der deutschen Handballnationalmannschaft übernommen.

Es war im Juni vor vier Jahren als sich Heiner Brand genussvoll durch seinen breiten Bart strich. Brand hatte gerade erst das Amt des Bundestrainers der deutschen Handballnationalmannschaft übernommen. Mit Erfolg. In Bozen schlug Brands neues Team sogar Russland und wurde EM-Dritter. Prima, sagte Brand damals, doch das Feuer, das das Mitglied der legendären Weltmeistermannschaft von 1978 entfacht hatte, war ebenso schnell erloschen.

Die Fans des deutschen Handballs mussten sich lange gedulden. Bis jetzt, bis zur EM in Schweden. Der 31:28-Erfolg am Mittwoch über Slowenien war gleichbedeutend mit dem Halbfinal-Einzug. Ein Sieg fehlt dem bisher unbesiegten deutschen Team noch, um wieder einmal das Treppchen bei einem großen Turnier besteigen zu können. Sogar das erste EM-Gold hält DHB-Präsident Ulrich Strombach für "durchaus möglich".

Es wäre ein Prestigeerfolg, den auch die Bundesliga aus wirtschaftlichen Gründen förmlich herbeisehnt. In der Vorrunde ließen die Männer um den Mindener Kapitän Frank von Behren (25) Weltmeister Frankreich, den WM-Dritten Jugoslawien und Kroatien hinter sich. Siege in der Hauptrunde gegen Spanien und Slowenien ebneten dann vorzeitig den Weg in die Runde der letzten vier. Aber die letzten Tage haben Kraft gekostet. Sechs Spiele an sieben aufeinander folgenden Tagen gegen die Creme der Sportart steckt auch ein gestandener Profi nicht einfach weg. "Hammerhart ist das", sagt Daniel Stephan. "Wir sind an der Grenze des Belastbaren angelangt."

Der Welthandballer des Jahres 1998 von Bundesliga-Spitzenreiter TBV Lemgo galt Mitte der Neunzigerjahre als größte deutsche Hoffnung, bis eine bittere Verletzungsserie seinen steilen Aufstieg stoppte. Doch die Pechsträhne ist beendet, der 28-Jährige nähert sich seiner einstigen Form. Stephan bildet zusammen mit fünf weiteren Spielern aus Lemgo das Gerüst des deutschen Teams.

Für frischen Wind sorgen die jungen Spieler Pascal Hens (21, SG Wallau-Massenheim) und Christian Zeitz (21). "Ich habe mein EM-Ziel schon damit erreicht, dass ich dabei bin. Wenn es geht, will ich gern eine Medaille mitnehmen", sagt Zeitz, der Linkshänder vom TSV Baden Östringen. "Es ist sehr positiv, dass wir mit den beiden zwei leistungsstarke junge Leute in der Hinterhand haben", sagt Heiner Brand. Brand bezieht seinen Optimismus vor allem aber aus der Stabilität der Deckung mit einem bislang überzeugenden Torhüter. Henning Fritz (27, THW Kiel) spielt sein bisher bestes Nationalmannschaftsturnier. "Es spricht für die Moral meiner Mannschaft, dass die Konzentration in der Abwehr auch nach schwächeren Phasen im Angriff nicht nachlässt", sagt der 49-jährige Bundestrainer.

Seine Philosophie der Blockbildung geht auf in den Tagen von Schweden. Die Konkurrenz verfolgt den Weg der zuletzt nur noch wenig beachteten Spieler aus Deutschland mit großem Respekt. "Deutschland zählt für mich zum engsten Favoritenkreis. Mit dem Lemgoer Block ist Sicherheit ins Spiel gekommen", lobt Stefan Lövgren. Der Kapitän des Gastgebers und EM-Titelverteidigers weiß, wovon er spricht. Lövgren spielt bei Lemgos großem Titel-Rivalen THW Kiel und vielleicht im Finale gegen Deutschland. "Alles ist möglich. Aber wir müssen weiter von Spiel zu Spiel denken", kontert Brand.

Reimer Plöhn

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