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Rafaela Silva feiert ihren Olympiasieg im Judo.

© AFP

Brasiliens erstes Olympia-Gold in Rio: Rafaela Silva - aus der Favela zur Heldin

Vor vier Jahren enttäuschte Rafaela Silva bei Olympia und wurde beschimpft. Nun holt die Judoka Brasiliens erste Goldmedaille.

Rafaela Silva weinte vor Glück - und bei allen anderen liefen vor lauter Rührung auch die Tränen. Wohin man schaute in der Arena Carioca 2 wischten sich Zuschauer die feuchten Augen. Vor ihnen auf dem Siegerpodest stand die erste Heldin dieser Spiele. Eine, die schon ans Aufgeben gedacht hatte. Die beschimpft worden war. Und die es nun allen gezeigt hatte. Rafaela Silva hatte die erste Goldmedaille bei Olympia in Rio für Brasilien gewonnen. Ausgerechnet sie, 24 Jahre alt, Judoka aus einer Favela. In der Nachbarhalle, in der gerade die brasilianischen Handballerinnen Rumänien besiegten, brachen spontane „Rafaela, Rafaela“-Gesänge aus. Und im fernen brasilianischen Senat wurde ihr Sieg von mehreren Rednern erwähnt.

Mit zehn zu null Punkten hatte Rafaela Silva im Finale der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm die Mongolin Sumiya Dorjsuren geschlagen. Sie beförderte Dorjsuren einmal mit dem Rücken auf die Matte. Nach der obligatorischen Schlussverbeugung sank Silva zitternd auf die Knie, lief zu ihrem Trainer und warf sich dann schutzlos in eine Gruppe von Angehörigen und Freunden auf den Rängen.

Sie stammt aus der Stadt Gottes

Rafaela Silvas Weg zur Medaille begann in einem Sozialprojekt, das der Judoka Flavio Canto gegründet hatte. Sie stammt aus Cidade de Deus. Die Stadt Gottes – sie ist eine der größten Favelas Rios, liegt nur wenige Kilometer vom Olympiapark entfernt. Weltbekannt wurde das Armenviertel durch den Film „City of God“ des Regisseurs Fernando Meirelles. Er entwarf auch die viel gelobte Eröffnungszeremonie der Spiele, die in weiten Teilen eine Hommage an die Kultur und den Überlebenswillen der Favelas war.

Zur tragischen Gestalt wurde Rafaela Silva, als sie bei den Olympischen Spielen in London vor vier Jahren wegen einer Regelverletzung vorzeitig disqualifiziert wurde. Damals bekam sie die ganze Häme zu spüren, welche die Brasilianer irritierend häufig über Verlieren ausschütten – insbesondere ihren eigenen. Manchmal ist es enttäuschte Liebe, das Gefühl, dass da ein verwöhnter Fußballer nicht alles gegeben hat, um der geplagten Nation eine wenig Freude zu schenken. Viel häufiger ist es leider Bösartigkeit.

Als "Schande Brasiliens" wurde sie bezeichnet

Rafaela Silva, schwarz und aus armen Verhältnissen, wurde als „Schande Brasiliens“ bezeichnet. Sie musste lesen, dass der Platz für Affen im Käfig sei. Die rassistischen Beschimpfungen und der Selbstzweifel führten Silva an den Rand der Aufgabe. Sie wollte nicht mehr kämpfen. Ein Sportpsychologe half ihr, und etwas trieb sie weiter an.

Nach der Siegerehrung wurde Silva, die mit ihrer Zahnspange ein wenig wie ein Teenager wirkt, interviewt. Immer noch weinend sagte sie, dass sie für ihre Eltern gewonnen habe. Dass ihr ganzes Leben ein einziger Judokampf sei. Und auch: „Der Affe, den ihr gerne im Käfig hättet, ist jetzt Champion.“

Rafaela Silva wird nun auch deswegen so gefeiert, weil Judo der zweitgrößte Medaillenbringer Brasiliens ist. 19 der 108 Medaillen, die das Land bei 20 Olympischen Sommerspielen gewonnen hat, stammen aus der Kampfsportart (20 im Volleyball, 17 im Segeln). Bis zum Triumph Silvas hatte Felipe Wu, ein Pistolenschütze, Brasiliens einzige Medaille gewonnen. Nun ist Rafaela Silva die Heldin einer ganzen Nation.

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