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Sieger-Bankett Werder Bremen

© ddp

Bremen jubelt und nimmt Abschied: Diego lacht - Frank Baumann bekommt den meisten Beifall

Wie der SV Werder Bremen in Berlin den Sieg im DFB-Pokalfinale gefeiert und die Abschiede des Superstars Diego und des Kapitäns Frank Baumann betrauert hat.

Sieben Töne, ein Name. Diiieeego!  Sparsamer lässt sich „Seven Nation Army“ kaum intonieren, diese längst nicht mehr nur inoffizielle Einmarschmelodie aller Fußballfans westlich von Wladiwostok. Am Samstagabend hat die grüne Hälfte des Olympiastadions mitgesungen, ein paar Stunden später im Hotel Maritim grölt der ganze Bankettsaal im Takt. Diego Ribas da Cunha, der brasilianische Fußballkünstler, verneigt sich und schwenkt die Eckfahne, die ihm Werders Bremens Manager Klaus Allofs gerade geschenkt hat. Es soll sich dabei um ein Original aus dem Weserstadion handeln, das Diego nach seinen vielen Toren so gern malträtiert hat. „Viel Glück bei Juventus Turin“, sagt Allofs, „vielleicht holst du da ja auch mal nen Pokal.“

Diego lacht, der Bankettsaal lacht. Sieger eben. Vor ein paar Stunden hat Werder den DFB-Pokal gewonnen, 1:0 gegen Bayer Leverkusen, es war Diegos vorerst letztes Spiel in Deutschland. Bald geht es in den Urlaub nach Hause, dann nach Turin, Bremen ist weit weg. Jetzt wird in Berlin gefeiert. Der Sonntag ist gerade angebrochen, als der Brasilianer die ersten drei deutschen Wörter in seinen 35 Monaten in Werders Diensten spricht. Zu einem ganzen Satz reicht es nicht, aber „thank  you for drei wunderbare Jahre“ ist schon mal ein Anfang, und das zum Abschied.

Sie lassen ihn nicht gern ziehen. Diego war Werders Mann für die besonderen Momente, das hat er auch im Berliner Pokalfinale gezeigt, mit seinen Schüssen und Finten und Flanken. Passend dazu hat er das Tor zum 1:0-Sieg über Bayer Leverkusen inszeniert und sich damit am Ende selbst beschenkt, denn dieser Pokalsieg war der erste und einzige Titel, den Werder in drei Jahren Diego holte. Aber Werder hat verdammt viel Geld mit seinem Transfer verdient, und was das Sportliche angeht –Trainer Thomas Schaaf brummt, es sei schön gewesen, aber jetzt komme die Zeit von Mesut Özil, und der sei auch ein phantastischer Fußballspieler. In Berlin ist ihm immerhin das Siegtor gelungen, das Diego so schön vorbereitet hat.

Vorbei – ein dummes Wort, hat Goethe vor 200 Jahren gesagt. Werder fühlt sich nicht am Ende einer alten Ära, sondern am Anfang einer neuen. So ist auch der Pokalsieg gegen Leverkusen ein Ende, dem ein Anfang innewohnt, geboren aus der Kontinuität. Diego geht, Özil bleibt, und Frank Baumann geht, um zu bleiben. Diego ist hübsch und smart und erfolgreich, aber der heimliche Star dieser Nacht von Berlin ist der auf den ersten Blick so unscheinbare Baumann. Er bekommt den lautesten Beifall, die „Baumi!“-Chöre hallen noch länger durch den Bankettsaal als das Diiieeego!“, und Klaus Allofs widmet ihm die längste, wenn auch nicht ganz unfallfreie Rede beim Pokalbankett. „Sag, Frank, wie lange warst Kapitän – sieben oder acht Jahre? Ach, sogar neun, na!, was haben wir uns denn dabei bloß gedacht?“  Dann erzählt Allofs noch so viel Nettes und Vorteilhaftes und Freundliches über Baumann, dass der später erwidern wird: „Vielen Dank, Klaus, so etwas bekommt man ja sonst nur auf Beerdigungen zu hören.“

Seit 1999 hat er  für Werder gespielt. Nicht so spektakulär wie Diego, er ist kein Mann für die besonderen Momente, aber einer, der im Alltag immer funktionierte. Als der Franke Baumann Mitte der Neunzigerjahre zum ersten Mal ein Angebot von Werder bekam, überlegte er lange, blieb dann doch beim 1. FC Nürnberg und schrieb eine Art Entschuldigungsbrief nach Bremen. Das ist nicht so ganz gewöhnlich im Profifußball, nicht mal im eher beschaulichen Bremen. Baumanns Brief soll noch immer auf Werders Geschäftsstelle zirkulieren. Das wäre wohl ein passendes Abschiedsgeschenk gewesen, aber Manager Allofs hat sich für eine alte Kapitänsbinde entschieden, „keine Sorge, wir haben sie vorher reinigen lassen“.

Ende Oktober wird Frank Baumann seinen 34. Geburtstag feiern. Kein Alter für einen Fußballprofi, aber das Leben als Abwehrspieler hat Spuren hinterlassen. In den vergangenen Jahren hat er öfter verletzungsbedingt aussetzen müssen, und schneller ist er auch nicht geworden. Da kam ihm das Angebot, im Bremer Management mitzuarbeiten, gerade recht. Zum 1. Juli wird Frank Baumann, was er selbst als „der Sekretär vom Klaus“ bezeichnet. Und ob er den Vorgesetzten irgendwann mal als Manager beerben wird, „also diese Frage stellt sich jetzt überhaupt nicht“.

Viel wichtiger war dieses letzte Spiel, Frank Baumann stand noch mal in der Startelf. Es zwickte ein wenig in der Leiste, aber er hat durchgehalten, und als Mesut Özil nach knapp einer Stunde endlich das Tor schoss, da war es Zeit zu gehen. „Ich hab’s noch ein bisschen hinausgezögert“, aber natürlich haben sie in der Halbzeitpause darüber gesprochen, und Baumann ist nicht entgangen, dass Peter Niemeyer sich an der Seitenlinie warmlief. Es hat noch gereicht, ausgerechnet bis zum Tor. Das anschließende Spalier der Kollegen, die vielen Hände, die er schütteln musste, der Orkan aus der werdergrünen West-Kurve des Olympiastadions – „das war schon bewegend“, sagt Baumann.

Mittlerweile ist es kurz nach zwei, in ein paar Stunden geht es mit dem Pokalexpress zurück vom Hauptbahnhof Berlin zum Hauptbahnhof Bremen. Zeit für eine letzte Frage: Bei diesem Siegtor gegen Leverkusen, hatten Sie da irgendwie den Fuß im Spiel, und wenn es ein Rückpass auf den Torwart war oder ein Einwurf hinter der Mittellinie? Vielleicht lässt sich in der Fernsehaufzeichnung ja noch was finden... Frank Baumann überlegt kurz, er lacht und antwortet: „Nein, da war leider nichts.“ Schade. Für die Nachwelt bleibt der Pokalsieg von Berlin in Entstehung und Vollendung eine Koproduktion von Mesut Özil und Diego.

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