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Sport: Brisante Vorwürfe

Im Prozess gegen den ehemaligen Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein sagt die Hauptbelastungszeugin aus

Anne-Kathrin Elbe ist so gut wie nie in eine Leichtathletik-Saison gestartet. Am Wochenende hat sie ihren Rekord über 60 Meter Hürden bei der Nordrhein- Meisterschaft in Leverkusen auf 8,32 Sekunden verbessert. Es war ein Rekord unter erschwerten Bedingungen. „Ich habe seit einigen Nächten nicht richtig geschlafen“, sagte die 18-Jährige gestern. Elbe ist die Hauptbelastungszeugin im Prozess gegen den ehemaligen Trainer Thomas Springstein, der vor dem Amtsgericht Magdeburg angeklagt ist, minderjährigen Athleten Dopingmittel gegeben zu haben. Springstein, der früher auch die Sprint-Weltmeisterin Katrin Krabbe trainiert hatte, bestreitet alle Vorwürfe.

Einen Tag nach ihrem Rekordwochenende musste Elbe aussagen. Der Druck auf sie dürfte deutlich höher als bei einer Meisterschaft gewesen sein. Denn nachdem die Verteidigung am ersten Verhandlungstag das Gericht und die Staatsanwältin eingeschüchtert hatte, drohte die Anklage bei einer schwachen Aussage Elbes vorzeitig einzustürzen. Elbe wiederholte jedoch ihre Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Trainer: Sie will von Springstein sowohl in einem Trainingslager in Orlando/Florida im April 2003 als auch in Zinnowitz im Mai 2003 Rationen von braunen Pillen in einem Fläschchen erhalten haben. Die Pillen seien später untersucht und als männliches Sexualhormon Testosteron identifiziert worden, sagte sie. Auch ihre Sportkolleginnen Anna- Maria Lehmann und Julia Lesse hätten die braunen Pillen erhalten.

Springstein selbst habe um die Vergabe der Pillen Geheimniskrämerei betrieben. „Ich sollte mit keinem darüber reden, auch nicht mit meinen Eltern", sagte Elbe. Sie habe zudem von Springstein blaue Kapseln bekommen, die sie in seinem Beisein hätte einnehmen müssen. Die braunen Tabletten habe sie dagegen nicht eingenommen. „Ich wusste nicht, was es war. Deshalb habe ich sie weggeworfen“, sagte sie. Außerdem habe sie ihren Trainer nicht richtig einschätzen können. „Es gab einen Vorfall, bei dem er mich zum Weinen gebracht hat. Ich habe daraufhin etwas Abstand von ihm genommen.“

Vom Trainingslager in Zinnowitz sei sie jedoch mit dem gefüllten Pillenfläschchen zurückgekehrt. „Ich hatte vergessen, sie wegzuwerfen.“ Ihre Mutter Petra Elbe hatte aber zuvor dem Gericht erklärt, ihre Tochter habe schon aus Orlando ein volles Fläschchen mitgebracht. Bis diese Pillen aber dem Deutschen Leichtathletik-Verband übergeben wurden, verging ein Jahr. Weil sie zu Springstein kein Vertrauen mehr hatte und sportlich keine Perspektive sah, entschied sich Elbe dann für einen Wechsel zu Bayer Leverkusen. „Ich habe nichts gegen Herrn Springstein persönlich, ich finde es halt nur total Scheiße, was er getan hat“, sagte sie.

Nach einem blassen Auftritt zum Prozessauftakt bemühte sich die Staatsanwältin Angelika Lux diesmal um Profilierung. Sie setzte die Verlesung von E-Mails durch, in denen Springstein, der auch seine Lebensgefährtin Grit Breuer trainiert hatte, sich nach Dosierungen von Dopingpräparaten erkundigt und Bestellungen aufgegeben haben soll. „Bitte mach’ uns ein Programm für die nächsten acht Wochen“, soll er an einen Arzt geschrieben haben. In der Betreffzeile stehe „Comeback GB“, zudem sei von Testosteronpflastern die Rede, mit denen der zulässige Wert nicht überschritten werde. Springsteins Verteidiger Peter-Michael Diestel nahm die Ereignisse des zweiten Verhandlungstages jedoch gelassen: „Es ist nicht viel, was an Thomas Springstein heute hängen geblieben ist.“ Am 3. Februar wird der Prozess fortgesetzt.

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