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Bundesliga: Berliner Zwerg trifft Münchener Riesen

Das Verhältnis zwischen Hertha BSC und dem FC Bayern München war jahrelang verkrampft. Inzwischen sind sich beide Klubs näher gekommen, weil sie sportlich weiter auseinander liegen

Wenn Andreas Ottl am Sonnabend den Rasen der Münchner Arena betritt, dann hat er einen aufregenden Gang hinter sich. „In den Katakomben des Stadions kenne ich jeden“, sagt der Profi von Hertha BSC. „Vom Zeugwart der Bayern bis zu dem Mann, der sich um die Einlaufkinder kümmert.“ Ottl wird viele Hände schütteln müssen, dann aber einen anderen Weg von der Gästekabine aus auf den Rasen nehmen als den, den er jahrelang ging. Schließlich läuft Ottl mit Hertha beim Bundesliga-Tabellenführer Bayern München (15.30 Uhr, live bei Sky) auf – gemeinsam mit den anderen ehemaligen Berliner Bayern-Spielern Christian Lell und Thomas Kraft.

In München kommt niemand auf die Idee, Hertha als Konkurrenten zu sehen

Der sportliche, strukturelle und finanzielle Abstand zwischen Bayern und Hertha ist groß. In München würde zurzeit niemand auf die Idee kommen, Hertha auch nur mittelfristig als ernsthaften Konkurrenten in der Liga zu sehen. Auch daher ist das Verhältnis zwischen beiden Klubs entkrampfter als es das noch vor ein paar Jahren war, damals, als jedes Spiel zwischen Bayern und Hertha auch das Duell der beiden Manager war, das Duell zwischen dem großen Uli Hoeneß und dem kleineren Dieter Hoeneß – nur den sportlichen Erfolg zugrunde gelegt.

Schön war die Zeit in der Heimat. Beim FC Bayern sind die drei gebürtigen Bayern Andreas Ottl (großes Bild, daneben Martin Demichelis), Christian Lell (oben rechts) und Thomas Kraft groß geworden, nun spielen sie in Berlin bei Hertha BSC. Fotos: ddp (2), dpa
Schön war die Zeit in der Heimat. Beim FC Bayern sind die drei gebürtigen Bayern Andreas Ottl (großes Bild, daneben Martin Demichelis), Christian Lell (oben rechts) und Thomas Kraft groß geworden, nun spielen sie in Berlin bei Hertha BSC. Fotos: ddp (2), dpa

© ddp

Dieter Hoeneß hatte Hertha einst „schlafenden Riesen“ genannt, heute fühlt der sich gut in die Saison gestartete Bundesliga-Rückkehrer Hertha in der Rolle des wachen Zwerges wohler. Das Verhältnis beider Vereine ist frei von atmosphärischen Störungen, nicht zuletzt weil die Berliner von Markus Babbel trainiert werden. Der Münchner trägt seine enge Bindung an Heimatstadt und Heimatklub vor sich her, verbringt jede freie Minute in München. Die Bayern seien irgendwie immer noch sein Verein, sagt Babbel. Emotional komme er nach 16 Jahren Bayern von dem Klub nicht los, aber natürlich identifiziere er sich zu hundert Prozent mit Hertha. Ähnlich äußern sich auch Kraft, Ottl und Lell. Letzterer sagt: „Das Spiel in München wird für mich ein Schritt in die Vergangenheit.“

Lesen Sie auf Seite 2, warum die These vom Bayern-Gen bei Hertha falsch ist.

Bayern gibt in der Regel nur Spieler ab, die in München keine Zukunft mehr haben

Was vergangen ist, ist vorbei. Insofern lässt sich die These, dass Hertha inzwischen eine Art Bayern-Farmteam ist, nicht halten. Den Weg zurück nach München wird keiner aus dem Berliner Bayern-Spielertrio bestreiten und vor allem nehmen können – bei Trainer Babbel mag es einmal anders sein. Bayern gibt in der Regel Spieler ab, die in München keine Perspektive mehr haben. Es gab andere Fälle, selbst bei Ottl war es so, als er eine Rückrunde in Nürnberg gespielt hatte und zum Rekordmeister zurückdurfte. Prominentere Beispiele für Profis, die andernorts Bundesligatauglichkeit erwerben konnten und dann nach München zurückgeholt wurden, sind Toni Kroos, Philipp Lahm – und Markus Babbel.

Die These vom „Bayern-Gen“ in der Berliner Mannschaft ist nur bedingt originell. Dann müssten noch andere Mannschaften in der Liga davon infiziert sein. Auch bei Werder Bremen, beim Hamburger SV, ja sogar beim FC Augsburg stehen drei einstige Bayern-Profis im Kader. 25 ehemalige Bayern-Spieler sind außerhalb von München in der Bundesliga beschäftigt, 15 von ihnen wurden bei den Bayern ausgebildet. Die Ausbildung in München gilt nicht allein aufgrund des Konkurrenzdrucks qualitativ zu den besten im Lande.

Herthas Bayern sind wichtige Figuren in ihrer neuen Mannschaft. Thomas Kraft ist die Nummer eins im Tor, Christian Lell in der Verteidigung gesetzt und Andreas Ottl im Mittelfeld einer der Lieblingsspieler des Trainers. Der Ottl sei so ein Spieler wie er früher gewesen sei. Der binge zwar nie 100 Prozent, aber auch nie weniger als 50 Prozent Leistung, sagte Babbel der „Süddeutschen Zeitung“. So ein Spieler sei er auch gewesen.

Herthas Bayern sind wichtig für die Mannschaft

Hertha ist sozusagen 75 Prozent Bayern, vom Leistungsniveau her gesehen. Die Bayern haben Hertha BSC ein wenig gestärkt – auch wenn die Spieler ablösefrei nach Berlin wechselten und in München keine Zukunft mehr hatten. Als Reservist bei den Bayern hatte man zumindest im Training Weltklassespieler als Gegner. „Unter Louis van Gaal haben wir im Training oft elf gegen elf gespielt“, erinnert sich Christian Lell. „Da habe ich dann oft gegen Franck Ribéry und Philipp Lahm spielen können.“ Insofern wisse er, wer und was auf Hertha am Sonnabend zukommt. „Wir haben nur eine Chance als Einheit. Wenn jeder versucht, sein eigenes Ding zu machen, dann wird es sehr schwer.“

Sportlich ist ohnehin alles klar. „Wir haben die Schwächen der Bayern genau studiert, besonders die in der Defensive, und das wollen wir gnadenlos ausnutzen“, sagt Markus Babbel und lacht über seinen Scherz. Im Ernst: „Wir brauchen Dusel. Es muss viel zusammenkommen, damit was Zählbares dabei rauskommt.“ Für die Berliner – beim Spiel Bayern A gegen drei Elftel Bayern B.

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