zum Hauptinhalt
Pantelic

© dpa

Bundesliga: Hertha jagt noch Torjäger

Auch gegen Stuttgart haben die Berliner im Sturm keine Wahl – neue Angreifer lassen auf sich warten und so ruht die Hoffnung einmal mehr auf Marko Pantelic.

Vor 20 Jahren, am 3. Juni 1987, spielte Hertha BSC in der Aufstiegsrunde zur Zweiten Liga gegen den SV Meppen, emsländische Provinz, aber die Provinz war widerborstig an diesem Nachmittag. Als es eine Viertelstunde vor Schluss immer noch 2:1 für Meppen stand, entschied sich Trainer Jürgen Sundermann zu einem ungewöhnlichen Eingriff: Der sprunggewaltige Ersatztorhüter Norbert Henkel durfte als Stürmer aufs Feld. Henkel stürzte sich bei jedem Eckball ins Gewühl, und einen seiner Abpraller wuchtete Heiko Meier in der Nachspielzeit zum Ausgleich ins Netz.

Jürgen Sundermann hat seine Karriere bei Servette Genf begonnen, jenem Verein, dem auch Herthas jetziger Trainer Lucien Favre einst diente. Die Geschichte mit dem stürmenden Torwart dürfte ihm gefallen. Favres Idealtyp auf dem Fußballplatz ist der polyvalente Spieler, stürmende Verteidiger und verteidigende Stürmer, er erzählt gern, dass er zuletzt in Zürich eine ganze Menge davon hatte (und sagt damit indirekt einiges über die Situation in Berlin).

Ach ja, die Polyvalenz. In Berlin wäre ja schon viel damit geholfen, wenn die Verteidiger nur gut verteidigen und die Stürmer gut stürmen würden. Bei Herthas Bundesligastart vor einer Woche in Frankfurt klappte das allenfalls in Ansätzen. Ein Angriffsspiel fand so gut wie gar nicht statt, Hertha kam zu keiner Torchance. Stürmer wie Srdjan Lakic, Lukasz Piszczek und Solomon Okoronkwo würden bei vielen Klubs nicht mal auf der Bank sitzen. Bundesligatauglich erscheint derzeit allein Marko Pantelic. Es heißt, Favre habe keine hohe Meinung von dem launischen Serben, er hat wohl nicht vergessen, dass Pantelic beim Schweizer Erstligisten FC Yverdon mal für ein paar Wochen spurlos verschwunden war. Favre hat ein besonders Verhältnis zu Yverdon, es war seine erste Trainerstation im Profifußball. Er war schon weiter nach Genf gezogen, als Pantelic dort spielte, aber Trainersohn Loic Favre stand damals in Yverdon unter Vertrag und wird einiges erzählt haben.

Auch von Christian Gimenez hat der Schweizer Fußballlehrer nicht allzu viel gehalten. Es hat ein wenig verwundert, als Favre im Zuge seiner Tabula-Rasa-Bereinigung des Berliner Kaders auch den Argentinier vor ein paar Wochen zu Deportivo Toluca nach Mexiko gehen ließ. Gimenez hatte in der vergangenen Saison immerhin zwölf Tore erzielt. War es nicht voreilig, ihn wegzuschicken? Wegschicken? Michael Preetz schüttelt den Kopf. „Das war ein wenig anders“, sagt der Leiter der Berliner Lizenzspielerabteilung. „Was wollen Sie machen, wenn der Spieler bei Ihnen im Büro steht und von einem Dreijahresvertrag spricht, und das in der Nähe seiner Heimat, was er schon aus familiären Gründen favorisiert?“ Gimenez habe weg gewollt, jetzt gehe es darum, Ersatz für ihn zu finden.

Favre hat nichts Besseres als Pantelic, Piszczek, Lakic oder Okoronkwo, und er wird so schnell auch nichts Besseres bekommen. Die kurzfristig akquirierten Schweizer Fabian Lustenberger und Steve von Bergen stärken vorrangig das defensive Element, ihre Polyvalenz taugt nur bedingt zum Torjägertum (gemeinsam erzielten sie in der vergangenen Saison exakt null Tore). Nur zu gern würde Favre aus Zürich den Brasilianer Raffael de Araujo holen, der in 62 Spielen unter Favre 27 Mal traf. „Es ist ja bekannt, dass Raffael der absolute Lieblingsspieler unseres Trainers ist“, sagt Preetz.

Das Projekt gestaltet sich schwierig. Die Züricher bocken und wollen nach Favre, Kotrainer Gämperle und Verteidiger von Bergen nicht noch einen vierten nach Berlin gehen lassen. In der Champions-League-Qualifikation erreichte Zürich am Mittwoch ein 1:1 gegen Besiktas Istanbul, ein Weiterkommen ist möglich und damit ein schneller Transfer Raffaels nach Berlin ausgeschlossen. „Wir hatten auf einen Sieg der Türken gehofft“, sagt Preetz, „aber es gibt ja auch noch andere Stürmer. Hertha wird den Spielbetrieb nicht einstellen, wenn Raffael nicht nach Berlin kommt.“

Wahrscheinlich ist es Lucien Favre selbst ein wenig peinlich, dass er Herthas Millionen bevorzugt in Zürich investiert, aber welche Wahl hat er schon? Es ist ja nicht so, dass sie in Zürich den besten Fußball der Welt spielen, aber sie kennen das System Favre und können es schnell adaptieren. So schnell, dass Hertha rechtzeitig in Tritt kommt, bevor das große Krisengeheul einsetzt. Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis der FC Zürich so spielte, wie Favre wollte, zwischenzeitlich war er schon mal Tabellenletzter. So viel Zeit wird er in Berlin nicht bekommen.

Manager Dieter Hoeneß verweist oft darauf, dass es Hertha in den vergangenen Jahren immer gelungen sei, am Ende der Transferperiode im Spätsommer noch gute Stürmer zu verpflichten. Das stimmt, aber damals war die Situation anders. Marko Pantelic hatte sich in Belgrad mit den Fans verkracht und wollte weg, Christian Gimenez saß in Marseille nur auf der Bank. In diesem Sommer ist es europaweit bekannt, dass Hertha mit einem großen Sack Geld auf Spielersuche geht. Zürich definiert als Schmerzgrenze für Raffael eine zweistellige Millionensumme als Ablöse.

Also suchen sie weiter. Einen treffsicheren Stürmer suchen sie, einen wie ... Michael Preetz! Es gab mal eine Zeit, da wurde bei Berliner Mini-Krisen gern ein mögliches Comeback des erfolgreichsten Berliner Bundesligastürmers (84 Tore für Hertha) ins Gespräch gebracht. Preetz lacht. Er ist gestern 40 Jahre alt geworden, „vergessen Sie es, ich bin nicht fit“. Und von Herthas Torhütern ist auch kein Angriffstalent bekannt (obwohl – Ersatzmann Christian Fiedler gab früher bei Hallenturnieren als verkappter Feldspieler stets eine gute Figur ab).

Vor 20 Jahren reichte die Polyvalenz des Ersatztorhüters Henkel übrigens nicht für ein gutes Ende. Hertha verlor das letzte Spiel gegen den BVL Remscheid 1:3 und verpasste auf der Zielgeraden den Aufstieg in die Zweite Liga.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false