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Bundesliga: St. Pauli gegen Hoffenheim: Schrill trifft bodenständig

Es ist das Topspiel des Bundesligasamstags: Der FC St. Pauli und die TSG 1899 Hoffenheim wirken gegensätzlich, haben aber einiges gemein.

Zuerst fallen die Unterschiede auf: Hier die von einem milliardenschweren Mäzen protegierte Dorfmannschaft, die aus der Dritten Liga in die Bundesliga durchmarschierte. Dort der Klub vom Hamburger Kiez, der vor fünf Jahren noch vor dem Konkurs und dem Sturz in die vierte Liga stand. Dabei haben die neureichen Badener und die langsam gesundenden Hamburger mehr Gemeinsamkeiten, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Es ist auch die Struktur hinter der Struktur, die den Reiz dieser beiden Klubs ausmacht, die am Sonnabend im Topspiel der Bundesliga aufeinandertreffen.

In diesem Sinne war es für Hoffenheim gar nicht so förderlich, dass es in der vorvergangenen Saison lange Zeit so aussah, als wäre die Mannschaft ein ernsthafter Anwärter auf die Meisterschaft. Der Erfolg bediente alle Vorurteile gegen die Emporkömmlinge, die mit der Kapitalkraft ihres Gönners unverdientermaßen Einlass begehrten in den Zirkel der großen Traditionsklubs. Es ist dabei in Vergessenheit geraten, dass der badische Finanzier Dietmar Hopp eigentlich etwas ganz anderes wollte, nämlich ein Investment in nachhaltige Strukturen, die den sportlichen Erfolg langfristig ohne millionenschwere Zuwendungen sichern sollten. In die Bundesliga war Hoffenheim ja nicht nur mit viel Geld aufgestiegen, sondern auch mit einer Mannschaft, die im Durchschnitt nicht mal 23 Jahre alt war.

Auf diesem Weg sollte es weitergehen, aber der zwischenzeitliche Siegeszug verführte die Macher in Hoffenheim dazu, ihre Mannschaft mit kostspieligen Einkäufen aus Südamerika zu bestücken. In seiner zweiten Bundesligasaison wurde aus dem Projekt Hoffenheim ein beliebiger Erstligist. Auch das führte zur Trennung von Manager Jan Schindelmeiser. Seinen Job bekam der Münchner Ernst Tanner, das Mastermind hinter der großartigen Nachwuchsarbeit beim TSV 1860. Unter Tanner trennte sich Hoffenheim von fast allen Südamerikanern und verkaufte ausnahmsweise mal für viel Geld einen Spieler, den Brasilianer Carlos Eduardo für 20 Millionen Euro an Rubin Kasan. Das fügt sich bestens in die Erwartungen von Hopp, in seine Philosophie, für die er Millionen in den Ausbau eines neuen Trainingszentrums und in die Rekrutierung des ausbildenden Personals gesteckt hat. Seit vier Jahren amtiert der frühere Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters im Hoffenheim als Direktor für Sport und Nachwuchsförderung. Gleich sechs Spieler des erweiterten Profikaders haben ihre Ausbildung im Südwesten erfahren. Die B-Jugend ist vor zwei Jahren Deutscher Meister geworden, die A-Jugend hat im Mai den DFB-Pokal gewonnen.

Der langjährige Mäzen hinter St. Pauli ist der komplette Gegenentwurf zu Hopp: schwul, schrill, schillernd. Und wenn Theaterbetreiber Corny Littmann dem Verein seit dem Sommer auch nicht mehr als Präsident vorsteht („Mit dem Aufstieg in die Bundesliga haben wir alles erreicht“), so ist es doch allein sein Verdienst, dass es den FC als Bundesligisten gibt: Sein Geld und seine Vermarktungsideen retteten den Klub vom Kiez vor fünf Jahren vor der Insolvenz. Den Grundstein der heutigen Erfolge legte Littmann damals mit wegweisenden Entscheidungen. Er übertrug Holger Stanislawski und André Trulsen die Verantwortung für den Sport, ließ sich überzeugen, dass vernünftige Trainingsplätze und ein Nachwuchsleistungszentrum unverzichtbar seien. Und dann war da noch sein Lieblingsprojekt: das Stadion. Ohne wettbewerbsfähige Arena keine Bundesliga, sagte Littmann und ließ ein Finanzierungskonzept erstellen, das niemanden in die Pleite trieb. Noch dauert es, bis das Stadion fertig ist – zum Stolz aller wird am Samstag schon mal die neue Haupttribüne in Betrieb genommen.

In Steine wurde investiert, und im Fokus stehen von Coach Stanislawski über Sportchef Helmut Schulte bis Torwarttrainer Klaus-Peter Nemet langgediente Paulianer. Ihre Loyalität ist unbezahlbar. Die Stetigkeit in der Führung, die geordneten Finanzen und der vom Trainer verordnete Vorwärtsstil haben St. Pauli zu einer geschätzten Adresse gemacht: St. Paulis Rouwen Hennings, Deniz Naki, Fin Bartels und Richard Sukuta-Pasu waren oder sind deutsche U-21-Nationalspieler. Dass man zur fußballerischen Fortbildung auf den Kiez wechselt, war vor fünf Jahren noch unvorstellbar.

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