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Bundesliga-Vorschau, Teil 2: Hertha BSC: Das Ziel heißt Minimeisterschaft

Am 9. August startet die Bundesliga in ihre 51. Saison. In unserer Serie testen wir Stärken, Schwächen und Vorlieben der Vereine. In der zweiten Folge blicken wir auf Hertha BSC. Die Berliner wollen sich nach dem Wiederaufstieg dauerhaft in der Ersten Liga behaupten – ein Platz im Mittelfeld scheint möglich.

Was hat sich verbessert?

Es sind harte Zeiten für Skandalreporter bei Hertha. Es gibt keine Eklats, keine Transfergerüchte, alle Spieler sind fit und friedlich. Bis vor 15 Monaten noch kamen die Geschichten alleine: fünf Trainer in der Abstiegssaison, viele peinliche Auftritte, auf dem Platz und daneben, als Hertha drohte, im Relegations-Chaos zu versinken. Und jetzt: nüschte. Selbst Revolverblätter wie der Tagesspiegel sind gezwungen, sich auf Fußball zu konzentrieren. Das ist ein Verdienst von Jos Luhukay. Der Trainer brachte Ruhe und Erfolg zurück. Der Fußball war selten berauschend, aber organisiert und effizient. Hertha wurde Zweitligameister mit Punkterekord, blieb in der Saisonvorbereitung in allen acht Testspielen siegreich – so auch am Dienstag gegen den US Palermo –, auch wenn die Gegner weniger fordernd waren als Luhukays Training. Hertha ist ein langweiliger Aufsteiger, der konzentriert am Klassenerhalt arbeitet – für Verein und Fans die beste Schlagzeile überhaupt.

Wer sind die Stars?

Die Neuzugänge Sebastian Langkamp, Johannes van den Bergh, Alexander Baumjohann und Hajime Hosogai kannten vorher nur wenige in Berlin – einer davon war Jos Luhukay. Die Neuen sind keine Stars, aber sie kennen Luhukays Spielweise, wie der kaum veränderte Aufstiegskader. Dieser Erkenntnisvorsprung kann wertvoller sein als jeder Star. „Mit diesem Kader können wir guten Gewissens in die Bundesliga gehen“, sagt Luhukay. Er betont oft, wie eigentlich alle im Trainingslager in Irdning, die Homogenität des Kaders – mit anderen Worten: Außer den österreichischen Bergen ragt niemand heraus. Unersetzbar sind Torwart Thomas Kraft und Peer Kluge, der das Umschalten von Defensive auf Offensive noch schneller machen soll. Vom fußballerischen Vermögen können Adrian Ramos und Ronny heterogen herausstechen. Aber während Stürmer Ramos in der Sommerhitze allmählich auf Temperaturen kommt, wirkt Ronny im Training mitunter schluffig wie eine Jogginghose. Doch das war vergangenen Sommer ähnlich – es folgten 18 Tore und 14 Vorlagen. Werden es in der Bundesliga nur halb so viele, wäre Hertha sehr geholfen.

Wer hat das Sagen?

Im sportlichen Bereich: Luhukay. Er baute das Spieler- und das Trainerteam um, setzte dabei auf Vertraute. Das muss nicht schlecht sein, Hertha kann sich bei 37 Millionen Euro Schulden keine Fehlbesetzungen leisten. Der offene und ehrliche Niederländer übernahm auch die Außendarstellung des Vereins, in der Vergangenheit oft eine Problemstelle. Dafür zogen sich die Entscheider im Hintergrund weiter in den Hintergrund zurück. Präsident Werner Gegenbauer ist aber kein reiner Repräsentant, der nur zum Grüßen da wäre, er stützte Michael Preetz vor einem Jahr gegen viele Widerstände. Nun soll der Vertrag des Managers verlängert werden, so wie er viele Verträge früh- und langzeitig verlängerte – vor allem den des Trainers, bei dessen Verpflichtung er richtig lag. Nach einem ruhigen Aufstiegsjahr muss Preetz zeigen, dass er im Krisenmanagement dazugelernt hat. Gegenbauer hat bereits angekündigt, dass er für einen weiteren Wiederaufstieg nicht zur Verfügung steht.

Was erwarten die Fans?

Diejenigen unter den Hertha-Fans, die ins Trainingslager mitgereist sind und schon morgens in der prallen Sonne Bier und Jägermeister trinken, erwartet auf jeden Fall ein dicker Kater. Der soll dem größeren Teil der Anhängerschaft erspart bleiben. Die Abstiegssaison hat viele Berliner ernüchtert. Einige haben dem Verein das Bild, das er damals abgeben hat, immer noch nicht ganz verziehen. Das müssen auch einige Bengalowerfer in Auswärtskurven wieder korrigieren. Doch die Vorfreude auf die Bundesliga steigt wieder; bei derzeit 18.200 Abos fehlen 800 verkaufte Exemplare bis zum Dauerkartenrekord von Saison 2011/12. Das Olympiastadion soll wieder richtig voll werden, vor allem wenn Hertha, wie von Luhukay gefordert, kein Heimspiel verliert. Niemand redet mehr vom korrigierten Betriebsunfall, die Geduld des Publikums könnte für einen langen Abstiegskampf reichen – wenn er denn am Ende erfolgreich ist.

Was ist in dieser Saison möglich?

Luhukay sieht das Team konkurrenzfähig mit bis zu acht Bundesligamannschaften. In dieser Achterliga will Hertha mindestens unter die ersten fünf. Wenn Neuzugänge und Aufsteiger überzeugen und Umfeld sowie Ersatzspieler auch bei Misserfolg ruhig bleiben, könnte Hertha als Tabellenelfter gar Meister dieser Miniliga werden – auch wenn es dafür keine Felge gibt.

Und sonst?

Luhukay ist ein Asket, lenkt sich vom Fußball nur mit Joggen und Mountainbike ab, Alkohol trinkt der 50-Jährige fast nie und legt auch bei Spielern Wert auf die Lebensführung. Vor einem Jahr im Trainingslager gestand er seine einzige Schwäche: An einem Becher Eis komme er nicht vorbei. Dabei hatte er damals, als seinen Spielern im Hotel Eis aufgetischt werden sollte, die Bediensteten wieder hinausgeschickt. In Irdning gab es nun zum Geburtstag von Torwart Kraft Eis mit Wunderkerzen. Solange Luhukay nur dort nachlässig wird, hat Hertha wenig zu befürchten.

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