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Sport: Bundestrainer Markus Schur über Versäumnisse und neue Wege bei der Talentförderung (Interview)

Markus Schur (38) ist ausgebildeter Diplom-Volkswirt und wollte laut eigener Aussage "eigentlich im Tennisbereich arbeiten". Seit 1997 ist er beim Deutschen Tennis Bund (DTB) als Bundestrainer für die Damen-Nationalmannschaft zuständig.

Markus Schur (38) ist ausgebildeter Diplom-Volkswirt und wollte laut eigener Aussage "eigentlich im Tennisbereich arbeiten". Seit 1997 ist er beim Deutschen Tennis Bund (DTB) als Bundestrainer für die Damen-Nationalmannschaft zuständig.

Herr Schur, sind Sie eigentlich froh, dass Sie kein Fußballtrainer sind?

Es kommt immer darauf an, bei welchem Verein man ist. Also, Fußball-Bundestrainer möchte ich im Moment nicht sein.

Im Fußball fliegt der Trainer als erster, wenn die Mannschaft keinen Erfolg hat. Ihr Erfolg hält sich zurzeit in Grenzen.

Das ist richtig, aber der Fußballtrainer arbeitet natürlich auch täglich mit allen seinen Spielern zusammen, bei uns ist das natürlich ein bisschen anders. Außerdem können wir, ich und meine Trainer, für vieles keine Verantwortung übernehmen.

Wie meinen Sie das?

Wir können nur für Mädchen die persönliche Verantwortung übernehmen, die wir ab dem zwölften Lebensjahr begleiten können. Als wir angefangen haben, waren auf der Jugendtour lauter 17-Jährige, 18-Jährige unterwegs, die schon gar keine Perspektiven mehr hatten, in der Weltrangliste auch nur einen Schritt vorwärts zu machen. Wir haben dann mal versucht, eine Struktur in das ganze Durcheinander zu bringen.

Sie haben sozusagen ausgemistet.

Das ist vielleicht ein bisschen hart formuliert. Aber früher gab es überhaupt keine Struktur. Jeder hat für sich irgendwo irgendwas gemacht. Unser System sieht vor, dass wir mit Elf- und Zwölfjährigen anfangen und mit denen über einen sehr langen Zeitraum arbeiten. Das sind zurzeit elf Mädchen.

Als größte Nachwuchshoffung gilt zurzeit Bianka Lamade - und die hat ihren Weg ohne den DTB gemacht.

Ja, die Bianka hat diesen Privattrainer, der sie seit zehn Jahren betreut. Aber auch sie ist vom DTB unterstützt worden.

Wie denn?

Bianka hat regelmäßig an Lehrgängen teilgenommen, sie hat von uns einen Konditionstrainer bezahlt gekriegt. Und sie hat von uns zum Beispiel jetzt hier drei Wild Cards hintereinander bekommen, durch die sie eine Menge Geld verdient hat, durch die sie überhaupt in diese Position gekommen ist.

Es hat ja mal eine Zeit gegeben, da waren zehn deutsche Spielerinnen unter den Top 100. So schlecht kann also die Nachwuchsförderung damals gar nicht gewesen sein.

Gewiss. So um 1990 herum wurde im Jugendbereich sehr viel gemacht. Aber in den zehn Jahren danach ist dann gar nichts mehr passiert.

Warum denn nicht?

Gute Frage. Es war zwar jede Menge Geld vorhanden, aber es hat jeder Landesverband für sich selbst gearbeitet. Jeder wollte einen Deutschen Meister haben. Keiner hat in internationalen Dimensionen gedacht.

Und dann kamen Sie und haben alles anders gemacht.

Am Anfang haben wir entschieden, dass wir uns nicht mehr mit Mädchen beschäftigen, die mit 15, 16 international schon soweit hinten dran sind, dass sie das nie wieder aufholen können. Die würden zwar im deutschen Vergleich die Nummer eins oder zwei sein, aber international sind die die Nummer 40 oder 50. Das bringt nichts.

Viele junge deutsche Spielerinnen haben ganz profane Probleme. Sie kommen international nicht voran, weil sie nicht bei den großen Turniere spielen können, sondern zur Schule gehen müssen.

Ja, das ist ein Problem. Wir wollen erreichen, dass bei talentierten Mädchjen mit 13, 14 Jahren das Tennis im Vordergrund steht und die Schule ein bisschen in den Hintergrund rückt. In dem Alter weiß man, ob jemand das Zeug zum Profi hat.

Wie damals bei Anke Huber und Steffi Graf.

Genau. Anke ist mit 14 nicht mehr in die Schule gegangen, die Steffi hat noch früher aufgehört. Das wird alles hinterher als völlig normal bezeichnet, aber vorher muss ich mit 500 Leuten darüber diskutieren, dass es so sein muss, um überhaupt Erfolg zu haben. Das Gespräch führten Jörg Allmeroth und Dietmar Wenck.

Herr Schur[dass Sie kei], sind Sie eigentlich froh[dass Sie kei]

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