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Sport: Buntes Wunder

Rechtzeitig zum 50. Jahrestag tauchen plötzlich Farbbilder vom ersten deutschen WM-Sieg auf

Und plötzlich gibt es ihn in Farbe, diesen größten Mythos des deutschen Sports. Die Bilder vom „Wunder von Bern“ 1954, als Helmut Rahn im WM-Finale gegen Ungarn das entscheidende Tor zum 3:2 schoss. Dieser erste deutsche Titel bei einer Weltmeisterschaft war mehr als nur der Sieg in einem Fußballspiel; dieser Sieg vom 4. Juli 1954 wird heute auch als eigentliches Gründungsdatum der noch jungen Bundesrepublik begriffen. Jeder kennt daher diese Aufnahmen – in Schwarz-Weiß. Knapp 50 Jahre danach taucht auf einmal ein Farbfilm von damals auf.

Auch Horst Eckel vermag das kaum zu glauben. „Eine Sensation“ findet der 71-jährige aus Kaiserslautern, der damals auf dem Rasen stand, diese Bilder. Aufgetaucht sind sie bei Recherchen der Kölner Produktionsfirma AZ Media TV, die im Auftrag der ARD für den anstehenden 50. Jahrestag eine Sendung vorbereitet. Die Dokumentarfilmer wollten sich nicht mit dem bekannten, aber spärlichen Material vom Endspiel in Bern zufrieden geben, das lediglich aus gut 15 Minuten besteht. Diese Bilder entstammen einem Film, der nur wenige Tage nach dem WM-Triumph in den deutschen Kinos lief.

Die anderen Aufnahmen gingen verloren, als der damalige Rechteinhaber, eine Firma Schubert aus München, Ende der Fünfzigerjahre das Restmaterial aus Platzgründen entsorgte. Das junge Fernsehen kannte damals noch keine Magnetaufzeichnung, und somit verfügt keine Institution in Deutschland über mehr Material. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat nichts, und auch in den Archiven der Fernsehsender sucht man vergebens. Der Sieg beim „Wunder von Bern“ ist heute zumindest aus visueller Sicht ein verlorenes Finale.

Und doch verlief die Recherche erfolgreich. Schon eine erste Anfrage in Ungarn ließ den Mut der Deutschen wachsen: Dort lagerten im Nationalen Filmarchiv elf weitere Minuten vom Endspiel – aus verloren geglaubten Beständen. Archivleiter Janos Varga berichtete, dass die Filmrollen einst gestohlen worden waren. Dann jedoch, im Februar 2002, erschien ein Unbekannter und bot älteres Filmmaterial an. „Ein Blick auf die Dosen zeigte mir, dass die eigentlich uns gehörten“, sagte Varga, verzichtete aber auf eine Strafanzeige und zahlte gern die geforderten 50 US-Dollar.

Andere Spuren liefen ins Leere. So enthielten die Filmrollen des damaligen Filmhändlers, die dessen Witwe in ihrem Keller gefunden hatte, lediglich das übliche Material. Hinweise aus Kaiserslautern brachten ebenfalls nichts Neues. Zur größten Enttäuschung geriet ein Tipp aus der Schweiz, eine in Basel ansässige Filmproduktion habe 1954 sogar einen Farbfilm gedreht. Cutter des Films erinnerten sich zwar noch gut an die Existenz der Color-Aufnahmen, das gesamte Archiv jener Firma war jedoch einem Wasserschaden zum Opfer gefallen.

Erst tagelanges Abtelefonieren südamerikanischer Filmarchive führte schließlich zum Erfolg. Ein Ausstellungsleiter in Sao Paulo vermittelte den Kontakt zu einem Sammler, der angeblich über diese Aufnahme verfügte. Dieser Herr war mittlerweile nach Deutschland eingewandert, er lebt jetzt in Hamburg. Sein Keller barg jenen Original-Farbfilm, der vier der fünf Tore des Endspiels zeigt. So sensationell dieser Fund ist: Noch sind die 90 Minuten nicht komplett vorhanden. Die Suche aber geht weiter. Die filmische Rekonstruktion vom „Wunder von Bern“ wartet immer noch auf ihre Vollendung.

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