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Sport: Checkpoint CHIO

In Aachen kämpfen die Spring- und Dressurreiter um Plätze für Olympia

Holger Schmezer hat ein Hobby, das viele Deutsche haben: das Autofahren. So gerne sitzt der 57-Jährige hinter dem Steuer, dass er zuletzt schon mal auf ein Wochenpensum von 7500 Autobahnkilometern kam. Aber klar, der Mann muss reisen. Schließlich ist Holger Schmezer Bundestrainer der Dressurreiter, und in dieser Funktion pflegt er den persönlichen Kontakt zu seinen im ganzen Land verteilten Spitzenkräften. Und wenn ein bisschen Zeit bleibt, schaut er zwischendurch auch nach der Konkurrenz aus den USA oder den Niederlanden. Zehntausende Kilometer verbringt Holger Schmezer also im Auto. Und nicht ohne Stolz vermeldet er: „Ich bin bisher nur einmal geblitzt worden.“

Eine erstaunliche Bilanz, ebenso erstaunlich wie das, was Holger Schmezer erreicht hat: In Aachen kommen beim CHIO von Dienstag bis Sonntag dieser Woche all die Pferde und Reiter zusammen, die Schmezer zuvor überall mühsam aufgesucht hat. Doch es hat sich gelohnt. Nicht nur die deutsche Elite wird beim diesjährigen CHIO teilnehmen, auch die Topkräfte aus dem Ausland kommen. Von den 24 führenden Paaren im Dressursport fehlen bei der traditionsreichen Veranstaltung lediglich zwei – was einen Monat vor den Olympischen Spielen, üblicherweise im Reitsport eine Phase großer Geheimniskrämerei, eine ungewöhnlich gute Quote darstellt.

Frank Kempermann begrüßt das Ende der Dressurpolitik, wie er sagt. Kempermann ist Geschäftsführer des veranstaltenden Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV). „Diesmal werden die Zuschauer die absolute Weltspitze sehen“, sagt er. Und wenn das Treffen der Besten im Westen vorüber ist, wird Bundestrainer Holger Schmezer seine Kandidaten für die Olympischen Sommerspiele in Athen benennen.

Keinerlei Diskussionen dürfte dabei die zu erwartende Nominierung von Doppel-Europameisterin Ulla Salzgeber und Heike Kemmer auslösen. Zudem haben von den sieben Startern in Aachen Ann Kathrin Linsenhoff und Martin Schaudt die besten Chancen auf ein Olympia-Ticket.

Die Prozedur für die deutschen Springreiter ist der bei den Dressurreitern ähnlich, auch sie tragen eine Art Ausscheidungswettkampf aus: Am Tag nach dem Aachener Turnier legt sich Springreiter-Bundestrainer Kurt Gravemeier auf seine Mannschaft für die Olympischen Spiele in Athen fest. Und bis er das getan hat, kann selbst ein Mann wie der bekannte Spitzenreiter Ludger Beerbaum noch ein wenig mit der Unberechenbarkeit kokettieren. „Nur weil ich seit Jahren erfolgreich durch die Gegend reite, bin ich doch nicht automatisch dabei“, sagt der 40-Jährige.

Ludger Beerbaum wird sich – da sind sich die Experten einig – für die Sommerspiele in Athen qualifizieren, und zwar problemlos. Kein Wunder also, dass die eigentliche Sorge des Weltranglistenersten Beerbaum eine andere ist als die Sorge um eine mögliche Nichtnominierung für die Spiele von Athen: Nach dem Turnier in Aachen muss Ludger Beerbaum entscheiden, welches seiner beiden Pferde Goldfever und Gladdys er mit nach Griechenland nimmt. Doch auch in diesem Punkt gibt es schon eine klare Tendenz bei Ludger Beerbaum. „Der Kopf sagt Goldfever, der Bauch sagt Gladdys“, sagt der Spitzenreiter. „In 80 Prozent der Fälle treffe ich Kopfentscheidungen.“

Was am Ende des CHIOs 2004 auf dem Gelände in Aachen passieren wird, ist dagegen klar. Dann rollen die Bagger und Planierraupen im Reiterstadion an, als dröhnende Vorboten der Reiter-Weltmeisterschaft in zwei Jahren an gleicher Stelle. Für 15,6 Millionen Euro wird die Anlage im Norden der Stadt Aachen renoviert und auch erweitert – insbesondere die Arena der Springreiter, deren Osttribüne komplett neu gebaut und mit einem neuen, separaten Richterturm ausgestattet wird. Die Gesamtkapazität der Stadien soll von 45 000 auf 60 000 Plätze erweitert werden.

Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen tragen zu den Modernisierungsmaßnahmen bei. „Die Verhandlungen waren nicht immer einfach“, räumt ALRV-Präsident Klaus Pavel ein. Aber der Mann weiß auch, die öffentlichen Finanzhilfen im Zusammenhang mit der Reit-WM in Aachen als gute Investition zu verkaufen. „Das Jahr 2006 wird zwei denkwürdige Wochen für Aachen und für Nordrhein-Westfalen bieten“, sagt Pavel. Speziell für die Menschen am Ort hat sich der Mann auch schon einen schönen Satz ausgedacht. „Die Weltmeisterschaft 2006“, sagt er, „wird das größte Ereignis für Aachen seit der Krönung Karls des Großen.“

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