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Pechstein

© ddp

Claudia Pechstein: Kühler Optimismus

Die deutschen Eisschnellläufer glauben an einen Freispruch der dopinggesperrten Claudia Pechstein.

Berlin - Helge Jasch stand an der Bande, die Hände in seinen Jackentaschen vergraben, und starrte aufs Eis. Der Teamleiter der deutschen Eisschnellläufer sagte gestern nicht viel in der Eislaufhalle von Berlin-Hohenschönhausen, er beobachtete vor allem. Marco Weber genügt es schon, dass Jasch überhaupt da war. Andererseits: Es wäre ja noch schöner, wenn der Teamleiter nicht mal bei den deutschen Meisterschaften zuschauen würde. Marco Weber, der Titelverteidiger über 5000 Meter, ist da allerdings einiges gewöhnt. „Durch den Fall Pechstein“, sagt er, „haben wir viel Kraft gelassen. Die Männermannschaft hatte nicht mehr diesen Tunnelblick auf die Olympischen Winterspiele in Vancouver. Trainer oder Funktionäre waren oft gar nicht da. Es wäre schön gewesen, wenn der Teamleiter bei der einen oder anderen Einheit mal dabei gewesen wäre.“

Der Fall Pechstein zehrt an den Nerven, bei allen, Trainern, Sportlern, Funktionären. „Ich möchte, dass es möglichst schnell vorbei ist“, sagt Markus Eicher, der Frauen-Bundestrainer. Am 5. November könnte es vorbei sein, da soll das Urteil im Fall Pechstein vom Internationalen Sportgerichtshof Cas gefällt werden. Sperre oder Freispruch.

Freispruch, das sagen einige im deutschen Eisschnelllauf-Lager. Es gibt keinen, der öffentlich mit einem Schuldspruch rechnet, es gibt niemanden, der Pechstein moralisch verurteilt. Tobias Schneider, der Titelverteidiger über 1500 Meter, zieht die Stirn in Falten. „Ich rechne damit, dass sie freigesprochen wird. Die Zahl der Indizien, die gegen ihre Schuld sprechen, überwiegen für mich“, sagt er. Auch Eicher rechnet mit einem Freispruch. Logik sagt ihm das, seine Logik. „Es wäre doch der Wahnsinn, wenn sie gedopt hätte. In ihrem Alter, in ihrer letzten Saison.“

Gestern, am späten Vormittag, hat er sie noch auf dem Eis gesehen. Claudia Pechstein hat mit dem Training in Hohenschönhausen begonnen, als Eicher mit seinen Frauen gerade aufgehört hat. In den letzten Tagen hat er Pechstein oft gesehen, er hat beobachtet, wie „ruhig und schön sie auf dem Eis gleitet“. Wenn Pechstein freigesprochen wird am Donnerstag, dann wird sie am nächsten Wochenende beim Weltcup in Berlin starten. In ihrer Heimat.

Vieles im Alltag der Eisschnellläufer um Pechstein herum ist gewöhnlicher geblieben, als man es hätte annehmen können. Das Warten aufs Urteil belastet, das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass der Alltag gelebt wird. „Die Claudia trainiert ganz normal bei uns mit“, sagt Tobias Schneider. Bei den Männern. „Die fährt ein paar Runden mit uns, manchmal führt sie die Gruppe auch an.“ Er kennt Pechstein schon so lange, dass er jetzt nicht anders mit ihr umgeht als früher. Auch Eicher hat nicht festgestellt, dass die Athleten der gesperrten Läuferin anders begegnen als früher.

Man muss die Feinheiten beachten, wenn man Veränderungen wahrnehmen will. Monique Angermüller registriert, dass Pechstein jetzt viel mehr mit jüngeren Athleten redet als früher. Pechstein galt lange als arrogant, als unnahbar, sie hatte sich nicht viele Freundinnen gemacht. Jetzt, sagt Angermüller, „ist sie mit den Jüngeren sogar mal Kaffee trinken gegangen“. Für die 1000- und 1500-Meter-Spezialistin Angermüller war Pechstein „ein Idol“. Und als sie dann mal in deren Gruppe trainieren durfte, empfand sie das als „Ehre“. Aber als sie im Autoradio vom Dopingfall Pechstein hörte, „war vom Idol nicht mehr viel übrig“. Ihre Mutter saß am Steuer, die hätte fast einen Unfall gebaut. Monique Angermüller hat geweint. Jetzt, da klar ist, dass alles ziemlich kompliziert ist, wartet sie einfach ab. „Erleichtert bin ich erst, wenn der Freispruch da ist“, sagt sie.

Eicher wartet auch sehnlich auf einen Freispruch. Nicht bloß, um seine Logik bestätigt zu bekommen. Er denkt auch ganz pragmatisch, als Bundestrainer. „Die Claudia ist doch so wichtig, damit wir ein starkes Team bei den Olympischen Spielen stellen.“

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