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Schottischer als die Schotten. Die Eröffnungsfeier war voll von Klischees.

© AFP

Commonwealth Games: Schottlands Olympia

Alex Salmond, Schottlands Erster Minister und Chef der Unabhängigkeitskampagne, hatte versprochen, die Commonwealth Games nicht politisch nutzen zu wollen. Doch vor dem Referendum zeigen sich die Gastgeber bei den Spielern äußerst patriotisch.

Schottland ist das einzige Land der Welt, in dem Coca-Cola nicht der meistverkaufte Softdrink ist. Nördlich des Hadrianswalls heißt das populärste Erfrischungsgestränk stattdessen: Irn-Bru. Der orange gefärbte Koffein-Drink gilt neben Whiskey als Nationalsymbol.

Nur logisch also, dass bei der Eröffnungsfeier der Commonwealth Games in Glasgow am Mittwochabend viele Riesendosen von Irn-Bru auf der Bühne standen. Dazu frittierte Mars-Riegel, Scottish Terriers und das Ungeheuer von Loch Ness. Für einen Abend wurde das Celtic-Park-Stadion zum Klischeekessel.

Nun ist das von einer Eröffnungsfeier durchaus zu erwarten, doch dieses Mal hatte all die Folklore einen besonderen Geschmack: Am 18. September entscheidet das schottische Volk, ob es sich vom Vereinigten Königreich unabhängig macht.

Ausgerechnet die Commonwealth Games sind als Sportveranstaltung dabei relevant. Es ist ein Event, das eher auf historischem Charme und britischem Nationalgefühl basiert als auf spannenden sportlichen Wettbewerben. Zwei Monate vor der Volksabstimmung sind die Spiele also eine Riesenmöglichkeit für beide Lager in Schottland, ihren jeweiligen Patriotismus zu verbreiten.

Schottische Helden wie Andy Murray und Chris Hoy haben bei ihren größten Erfolgen Großbritannien vertreten

„Die, die in der Union bleiben wollen, könnten sich als Briten patriotischer fühlen, wenn sie die Queen, die Commonwealth und die Union Jacks sehen“, meint Ross Dunbar, gebürtiger Glasgower und Journalist, „aber ich spüre auch ein größeres Gefühl schottischen Patriotismus’.“

Zumindest bei den Athleten stimmt das. Als die schottische Schwimmerin Hannah Miley am Donnerstag die Goldmedaille holte, konnte sie während der Nationalhymne gar nicht aufhören zu weinen. Ihr männlicher Teamkollege Ross Murdoch, der überraschend ebenfalls gewann, war nicht weniger emotional.

Zwar hat Alex Salmond, Schottlands Erster Minister und Chef der Unabhängigkeitskampagne, versprochen, die Spiele nicht politisch nutzen zu wollen. Doch man müsste naiv sein, um zu glauben, dass sie nicht einen solchen Zweck erfüllen würden. Seit den Olympischen Spielen 2012 in London wissen die Briten, wie patriotische Gefühle von einem Sportevent geprägt werden können. Bei den Commonwealth Games kann dieser „Olympia-Effekt“ nun zu einem schottischen Patriotismus führen. Schließlich geht es bei diesem Event um Schottland gegen das britische Imperium. Viele haben das bereits ausgesprochen. Die Anwesenheit der Queen, die Omnipräsenz der Union Jacks und die Rolle des Engländers Gary Lineker als Hauptkommentator der BBC wurden in den Sozialnetzwerken mit wütender schottischer Aufregung begrüßt.

„Vielleicht hat Salmond es absichtlich gemacht, die Games und den Ryder Cup so kurz vor der Wahl zu akzeptieren“, meint Ross Dunbar, „ein paar schottische Medaillen werden so gut wie keinen Einfluss haben. Aber Salmond ist schon schlau.“ Schlau genug, um die Möglichkeit zu sehen, schottischen Sport für die Schotten zurückzuerobern. Im Cricket und im Fußball ist Schottland so schlecht wie lange nicht mehr. Alle aktuellen sportlichen Helden wie Andy Murray und Chris Hoy haben bei ihren größten Erfolgen Großbritannien vertreten.

Sportpatriotismus dürfte bei diesem Referendum besonders wertvoll sein. Im Moment ist das Ergebnis laut den Umfragen immer noch unvorhersehbar. Vieles, was das Ergebnis entscheiden könnte, wird erst nach der Wahl in den Verhandlungen mit dem Rest der Insel geklärt. Nach festgestellten Änderungen in Ölpolitik, Währung und Mitgliedschaft der EU können sich die schottischen Wähler derzeit nicht richten, nach einem Gefühl von kultureller Einzigartigkeit schon. Wie der„Guardian“-Kolumnist Alan Bissett schrieb: „Bloß die Tatsache, dass Schottland ständig im Fernsehen ist und in den nächsten Wochen überall in der Welt bejubelt wird, könnte uns den Mut geben, für Unabhängigkeit zu stimmen.“

Auch als unabhängige Nation würde Schottland weiterhin zum Commonwealth gehören – und an den Games teilnehmen dürfen. Künftig wird diese komische Sportveranstaltung wohl aber wieder übersehen werden. Nur dieses Jahr nicht. Für Schottland – und für Großbritannien – könnten diese Spiele noch wichtiger werden als Olympia.

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