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Sport: Contra

Im Fußball gibt es neben dem schriftlich fixierten Regelwerk des Weltverbandes Fifa auch noch eine Art Gewohnheitsrecht, dem sich alle Beteiligten der Branche stillschweigend unterwerfen müssen. Das gilt auch für Michael Ballack.

Im Fußball gibt es neben dem schriftlich fixierten Regelwerk des Weltverbandes Fifa auch noch eine Art Gewohnheitsrecht, dem sich alle Beteiligten der Branche stillschweigend unterwerfen müssen. Das gilt auch für Michael Ballack. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist 32 Jahre alt und seit mehr als einer Dekade im Profifußball tätig – insofern kann er in der aktuellen Debatte eines ganz sicher nicht für sich geltend machen: Unwissenheit. Im Gegenteil, Ballack wusste genau, was er tat, und vor allem wusste er genau, was seine Kritik an Joachim Löw auslösen würde. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz des Fußballs, dass Meinungsverschiedenheiten mit dem Trainer intern zu klären sind und nicht nach außen getragen werden. Ballack hat wissentlich gegen diese erprobte Gepflogenheit verstoßen, ohne die eine Mannschaft kaum funktionieren kann.

Seine Attacke gegen Löw ist mehr als ein Kavaliersdelikt. In jeder Bundesligamannschaft müsste Ballack für seine Kritik mit einer empfindlichen Strafe rechnen, von England, Spanien oder Italien ganz zu schweigen. Michael Ballack aber war sich seiner Sache und der eigenen Bedeutung offensichtlich ziemlich sicher. Das ist das vielleicht Perfideste an seinem Angriff auf Löw: dass er einen Moment abgepasst hat, in dem der Bundestrainer angegriffen und geschwächt schien.

Michael Ballack zwingt Löw zum Handeln, vielleicht wollte er genau das provozieren; aber dessen Reaktion wird anders ausfallen, als Ballack es gedacht und vor allem gewünscht hat. Ballack hat die Autorität des Bundestrainers in Frage gestellt und seine Kompetenzen damit eindeutig überschritten. Das kann, darf und wird Löw sich nicht gefallen lassen. Es geht um seine Glaubwürdigkeit, es geht um seine Stellung, und es geht letztlich um die, ja, Zukunftsfähigkeit des deutschen Fußballs.

Der Deutsche Fußball-Bund mit seinem Sportdirektor Matthias Sammer ist gerade dabei, die Position des Trainers zu stärken. Michael Ballack hat noch einmal bewiesen, warum das zwingend notwendig ist. Weil die Spieler in Deutschland abseits des Platzes viel zu viel Politik betreiben, weil sie auf diese Weise kontinuierliche Arbeit hintertreiben und damit das Fortkommen des deutschen Fußballs verhindern.

Natürlich braucht ein Team Führungsfiguren nicht nur neben, sondern auch auf dem Platz. Aber der Führungsanspruch innerhalb einer Mannschaft ergibt sich aus aktueller Leistung, nicht aus historischen Verdiensten. Niemandem ist geholfen, wenn ein alternder Leitwolf dem anderen alternden Leitwolf die jungen Konkurrenten aus den eigenen Reihen wegzubeißen versucht. Michael Ballack sollte sich lieber daran erinnern, dass er nicht nur der Kapitän von Torsten Frings ist. Er ist auch der Kapitän von Thomas Hitzlsperger.

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