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© dpa

Curling: Wischen Impossible

Die deutschen Curler starten im Mekka ihres Sports ambitioniert in das olympische Turnier – gegen die professionellen kanadischen Gastgeber werden sie aber keine Chance haben.

Besuche in Kanada kommen deutschen Curlern immer noch wie Reisen auf einen anderen Planeten vor. Doch es gab Zeiten, da müssen sie sich in Kanada sogar wie in einer anderen Galaxie gefühlt haben. Charlie Kapp hat diese Zeiten erlebt, die ihm noch immer wie ein wunderbarer Traum erscheinen. Denn die Kanadier waren zu seiner aktiven Zeit nicht nur die Giganten am Granitstein, sie gingen mit ihren Gästen auch entsprechend um. „Bei großen Meisterschaften wurden die Teams dort sehr hofiert. Wir bekamen zum Beispiel ein eigenes Fahrzeug gesponsert, wurden hin- und hergefahren“, erinnert sich der ehemalige Nationalspieler. Sein Sohn Andreas Kapp startet heute als Kapitän der deutschen Mannschaft gegen die USA in das olympische Turnier.

Der 42-jährige Andreas Kapp hat schon viele Weltmeisterschaften gespielt, auch in Kanada. Deshalb bekommt er auch schon beim bloßen Gedanken an die bevorstehenden Partien im gelobten Curling-Land eine Gänsehaut. In Edmonton hat Kapp einmal vor 14.000 Zuschauern gespielt. „Es ist einfach gigantisch, wenn ein ganzes Stadion ausflippt, dich anfeuert oder gegen dich schreit“, sagt er. Eine solche Stimmung sind die deutschen Amateure in ihrer Curling-Diaspora weniger gewohnt.

In Kanada betreiben eine Million Menschen die für mitteleuropäische Augen bizarre Eis-Schrubberei, in Deutschland sind es 700. Entsprechend werden Sportler wie Kapp, dessen Mannschaft aus einem Optiker, einem Architekten, einem Maschinenbauingenieur, einem Banker und ihm, dem Großhändler für Tiefkühlkost, besteht, in der Heimat als schräge Vögel angesehen. Während die Kollegen aus Kanada ihrer Gleitarbeit als nationale Berühmtheiten nachgehen. Curler wie der 43-jährige Kevin Martin sind Halbprofis, werden in Fernsehshows eingeladen und können mit ihrem Sport bei Turnieren viel Geld verdienen. „Die sind dort richtige Medienstars“, sagt Andreas Kapp.

200.000 Karten hätten für die Curlingwettkämpfe verkauft werden können

Da wäre es das Höchste der Gefühle, den Branchenführern auf ihrem eigenem Terrain eines auszuwischen. Hinter dem alles überragenden Eishockey ist Curling in Kanada die Sportart Nummer zwei – deswegen bleibt Kapp realistisch. „Für die Medaillen kommen acht Mannschaften in Frage, auch wir haben Chancen“, sagt er. „Aber bei Gold ist die Sache so klar abgesteckt, dass man darüber kein Wort verlieren muss.“ Viel lieber spricht er darüber, dass das deutsche und alle anderen Teams ein Paradies auf Zeit erwartet: „Die besten Eismeister auf der Welt, wunderbare Steine zum Spielen: Das wird wie Schach.“

Greifbar wird unter diesen Umständen Kapps unbescheidenes Ziel, beim Turnier im Vancouver Olympic Centre „das beste Curling meines Lebens hinzulegen“. Schließlich bekommt er auch das beste Drumherum geliefert, das im Gastgeberland der Winterspiele wenig überraschend einen wahren Ansturm auf die Tickets ausgelöst hat. „6000 Zuschauer passen in die Halle. Doch sie hätten das Ding auch leicht mit 25.000 Menschen füllen und für die zwei Wochen 200.000 Karten verkaufen können“, sagt der deutsche Skip. „In diesem Land gehört zu jedem Dorf eine Curling-Halle“, schwärmt Kapp.

Sein Vater Charlie hat ihm von der ersten wirklichen Mannschafts-Weltmeisterschaft erzählt, bei der er 1986 in Toronto antrat. Vater Kapp erinnert sich daran, dass er und seine deutschen Mitspieler damals „von der Atmosphäre dort erst überwältigt und dann überfordert“ waren. „Zu Hause in Garmisch-Partenkirchen spielten wir damals im Schnitt vor 50 oder 60 Leuten“, sagt Charlie Kapp. „Deshalb haben wir in Toronto auch sechs Spiele in Folge verloren und waren am Ende Neunter von zehn.“ Mit dem Ende des Turniers war der Spaß aber noch lange nicht vorbei. „Da sind wir von Sponsoren noch für eine Woche eingeladen worden. Wir waren bei den Niagarafällen, in einer Kaugummifabrik und sonstwo“, erzählt Charlie Kapp. Das zumindest ist inzwischen anders. „So etwas gibt es heute dann doch nicht mehr“, sagt Andreas Kapp über die Grenzen, die selbst im Curling-Paradies Kanada inzwischen gelten. „Jetzt trifft man sich, spielt gegeneinander und fährt wieder nach Hause.“

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