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Abschied nach fünf Spielgewinnen. Andrea Petkovic unterlag der Slowakin Magdalena Rybarikova 2:6 und 3:6.

© dpa

Australian Open: Dämonen und Narben: Andrea Petkovic kämpft um den Anschluss

Das Aus in Melbourne zeigt: Der Weg zurück in die Tennis-Weltspitze ist für Andrea Petkovic noch weit. Sie selbst bezeichnet sich angesichts ihrer unberechenbaren Leistungen als "Wundertüte".

Andrea Petkovic trottete ans Netz, und da liefen ihr bereits die Tränen übers Gesicht. Mit 2:6 und 3:6 und nach weniger als anderthalb Stunden war ihre Mission in Melbourne schon wieder vorbei. „Ich habe aus Wut geheult“, meinte Petkovic später, „und bevor ich einen Schläger zerhacke oder mit einem Ball versehentlich jemanden töte, lasse ich das lieber so raus.“ Petkovic war bedient nach ihrer ersten und gleichzeitig letzten Partie bei den Australian Open, von der Slowakin Magdalena Rybarikova und von sich selbst. „Ich fand gar nicht, dass ich richtig grottenschlecht gespielt habe“, analysierte die 26-Jährige, „aber sie war in den entscheidenden Momenten einfach solider und hat mir bei ihrem Aufschlag keine Chance gelassen.“ Irgendwann sei sie dann mal wieder zu hektisch geworden, sinnierte Petkovic weiter. Das passiert ihr öfters. Und plötzlich war ihr das Match irgendwie weggelaufen, ohne dass sie das Gefühl hatte, allzu viel falsch gemacht zu haben.

Ein wenig ratlos, ein bisschen enttäuscht blieb Petkovic zwar zurück, doch im Grunde schien sie das frühe Aus gar nicht sonderlich zu überraschen. „Ganz ehrlich, ich hatte hier keine großen Erwartungen“, erklärte die Darmstädterin, die momentan auf Platz 40 der Welt rangiert. Wieder und wieder hatten Verletzungen sie in den letzten drei Jahren zurückgeworfen. Petkovic ringt um den Anschluss an ihre alte Stärke, die sie schon einmal bis auf Position neun der Weltrangliste geführt hatte. Der Weg ist weit schwieriger, als sie vermutet hatte.

Und Melbourne war dann vielleicht auch das denkbar ungünstigste Pflaster für sie, um wieder Tritt zu finden. Denn nirgendwo sonst auf der Tennistour verbinden sich für Petkovic schreckliche Erinnerungen an Schmerzen und Ängste mit denen an große Erfolge. Begonnen hatte die Hassliebe im Jahr 2008, bei ihrem Debüt Down Under. Nach nur wenigen Minuten auf dem Platz zog sie sich einen Kreuzbandriss zu, es riss sie buchstäblich von den Beinen. Das Gefühl der Verzweiflung, der nackten Panik, das diese Verletzung bei ihr auslöst, ließ sie danach lange nicht los. Noch heute hat das Erlebnis nicht nur eine Narbe auf ihrem Knie hinterlassen. 2012 erlitt Petkovic dann im Vorfeld der Australian Open eine komplizierte Rückenverletzung, eine Stressfraktur. Sie musste auf den Start beim ersten Grand Slam der Saison ebenso verzichten wie im vorigen Jahr: Da hatte sie sich einen Meniskusriss zugezogen. Deshalb sagte Petkovic nun: „Ich bin froh, es nach zwei Jahren überhaupt wieder nach Melbourne geschafft zu haben. Ich bin hier, um meine schlechten Erinnerungen durch gute zu ersetzen.“

Das hatte jedoch nur vor drei Jahren geklappt. Es war die bisher letzte Saison, in der sie weitgehend verletzungsfrei gewesen ist. Petkovic stürmte damals in Melbourne erstmals ins Viertelfinale und schaffte es danach auch bei den French Open und den US Open in die Runde der letzten Acht. Damit gelang ihr der Durchbruch in die Top Ten, sie war unter den Besten angekommen. Ob Williams oder Scharapowa, die Damen-Elite hatte die kesse Deutsche längst als Bedrohung wahrgenommen und zollte ihr Respekt. Das habe sich bis heute auch nicht geändert, meinte Petkovic. Schließlich hatte sie jüngst beim Vorbereitungsturnier in Brisbane gegen Serena Williams eine gute Figur gemacht. „Auf Augenhöhe“, sei sie mit der Anführerin des Frauentennis trotz der Niederlage gewesen. „Viele wissen trotzdem nicht, wie sie mich einordnen sollen“, fügte Petkovic nachdenklich hinzu. Ganz genau weiß sie es momentan vielleicht selbst nicht. Eine Wundertüte sei sie, frotzelte sie. Nur möchte sie das gar nicht sein. „Ich bin nach wie vor ehrgeizig“, gesteht sie, und obwohl ihre facettenreichen Interessen von Musik, Kultur, Psychologie bis Politik reichen, will sie es im Tennissport noch mal wissen.

Manchmal will sie es dann zu sehr, wie im Herbst noch bei den US Open in New York, als sie in der ersten Runde mehr von ihren überhöhten Erwartungen als ihrer Gegnerin überrollt worden war. Wer so omnibegabt ist wie Petkovic, der kann die Ansprüche an sich selbst nur schwer drosseln. „Das ist mein Dämon, der mich innerlich auffrisst“, erklärte sie, doch momentan habe sie ihn ganz gut im Griff. Nur muckt er in Melbourne auf, diesen Ort hat sie eben nicht im Griff. Dennoch sei sie inzwischen reifer geworden, merkte Petkovic an: „Nach Niederlagen verurteile ich mich nicht mehr als Persönlichkeit – nur noch als Tennisspielerin. Da kann ich sagen: Du bist immer noch okay, Olle.“

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